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Tsipras uns Merkel bei Begrüssung in Berlin, in dunkeln Mänteln gekleidet.
Legende: Miteinander reden, nicht übereinander: Angela Merkel und Alexis Tsipras beim Treffen in Berlin Reuters

International «Man bemüht sich, aufeinander zuzugehen»

Die deutsche Kanzlerin hat den griechischen Premierminister Tsipras empfangen. Die Zusammenkunft gilt als wichtig, denn das Verhältnis zwischen beiden Ländern ist belastet. Was hat das Treffen gebracht? Einschätzungen von SRF-Korrespondent Casper Selg in Berlin.

Casper Selg

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Casper Selg
Legende: casperselg.ch

Seit mehr als 35 Jahren ist Casper Selg Journalist. Er leitete das «Echo der Zeit» und war Radio-Korrespondent in den USA und nach 2010 in Berlin. Seit seiner Pensionierung im Sommer 2015 arbeitet er als freier Journalist und Ausbildner. Er ist Mitglied des Schweizer Presserates.

SRF News: Casper Selg in Berlin, was ist Ihr Eindruck, sind sich die beiden Seiten nähergekommen?

Casper Selg: Das lässt sich nur schwer sagen. Die Tonlage war so, dass Angela Merkel etwas kühler und auch etwas nervöser gewirkt hat als bei anderen, vergleichbaren Gelegenheiten. Man hatte – von ihr aus gesehen – nicht den Eindruck, die beiden wären weit gekommen. Frau Merkel hat unterstrichen, dass es jetzt vor allem darum gehe, ins Gespräch zu kommen. Miteinander statt übereinander zu reden.

Und wie äusserte sich Alexis Tsipras?

Er gab sich ähnlich konziliant. Er lobte Merkel als Frau, die zuhören könne. Und dass es jetzt wichtig sei, Stereotypen zwischen den Ländern abzubauen. Gleichzeitig hat Tsipras seine Positionen noch einmal sehr deutlich und hart klargemacht: Griechenland werde zwar seine alten Verpflichtungen einhalten – auch solche, die er aus seiner Sicht für völlig falsch halte. Aber diese würden gelten, das anerkenne er. Jetzt aber gelte es nicht nur zu sparen, sondern Griechenland eine neue Perspektive zu eröffnen. Das hiesse, weniger zu sparen und mehr zu investieren. Die Positionen liegen also weit auseinander, aber man bemüht sich stark, aufeinander zuzugehen. Die beiden werden jetzt bei einem Nachtessen Gelegenheit haben, weiter nach Lösungen zu suchen.

Griechenland braucht sehr schnell sehr viel Geld. Die EU – auch Merkel – verlangt konkrete Reformpläne der griechischen Regierung. Hat er solche vorgelegt?

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Diese Frage wurde nicht beantwortet. Aus griechischer Quelle wurde am Wochenende bekannt, Tsipras habe eine solche Liste bereit und werde diese nach Berlin bringen. Er ist der Frage ausgewichen, ob er diese dabei habe. Merkel hat das auch bewusst nicht beantwortet. Sie hat aber deutlich unterstrichen, wieso: Sie sagte, das seien Vereinbarungen, die Griechenland im Februar gegenüber der Euro-Gruppe eingegangen sei. Diese Gruppe müsste letztlich – zusammen mit der ehemaligen Troika – darüber entscheiden. Deutschland sei Teil davon, aber nur einer von 19 Teilen. Es sei nicht an ihr, irgendwelche Listen entgegenzunehmen und zu beurteilen. Es könnte also sein, dass Tsipras eine solche Liste vorgelegt hat, aber Merkel würde den Teufel tun und das in der Öffentlichkeit diskutieren. Dies um nicht als grosser Hegemon aufzutreten, der quasi allein entscheidet.

Es könnte sein, dass Tsipras eine Liste mit Reformplänen vorgelegt hat.

Wurde denn das Thema Reparationszahlungen – Wiedergutmachung der deutschen Verbrechen im Zweiten Weltkrieg – auch nicht angesprochen?

Doch, das war ein Thema. Tsipras hat unterstrichen, dass es dabei nicht primär um finanzielle Dinge gehe, sondern um moralische Fragen, die nach wie vor brennen. Merkel sagte, für sie seien diese Geschichten juristisch abgeschlossen. Sie hat aber umgekehrt durchblicken lassen, dass es schon Bereiche gebe, über die man weiter reden könne. Gestern gab es ja schon ein Gespräch zwischen den beiden Aussenministern. Dabei wurde davon gesprochen, dass gewisse bilaterale Institutionen, die es jetzt schon gibt, zum Beispiel aufgestockt werden könnten. Da geht es zum Teil um die Vergangenheitsbewältigung. Deutschland hält aber daran fest, dass man das Ganze nicht noch einmal rechtlich aufschlüsseln will. Das hiesse sonst, das zehn, fünfzehn andere Länder auch nochmal kommen könnten.

Das Gespräch führte Simone Fatzer.

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