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International Mehr als 50 Tote nach Zusammenstössen in Kairo

In Ägypten droht die Lage zu eskalieren: Bei Zusammenstössen zwischen dem Militär und Islamisten starben Dutzende Anhänger des gestürzten Präsidenten Mursi. Wer zuerst wen angegriffen hat und warum – dazu gibt es verschiedene Darstellungen.

Machtkampf in Ägypten

Bei einer Schiesserei in der ägyptischen Hauptstadt Kairo sind mindestens 51 Menschen ums Leben gekommen. Über 430 Personen sollen zudem verwundet worden sein. Das bestätigte am Nachmittag das Gesundheitsministerium in Kairo.

Das Militär gab an, Bewaffnete hätten den Offiziersclub der Republikanischen Garde stürmen wollen. Zuvor hatte es in Kairo Gerüchte gegeben, dass sich Mursi dort aufhalten könnte.

Das Militär nahm nach eigenen Angaben etwa 200 Bewaffnete fest. Sie hätten unter anderem Schusswaffen und Brandsätze bei sich gehabt, hiess es in der Erklärung der Armee weiter. Die staatliche Zeitung «Al-Ahram» berichtete, «Terroristen» hätten die Einrichtung erstürmen wollen.

Muslimbrüder rufen zum Aufstand

Inzwischen kursieren diverse Videos im Internet. Sie zeigen zum einen auf die Armee schiessende Demonstranten, zum anderen sind auf Dächern postierte Scharfschützen der Streitkräfte zu sehen, die gezielt auf die Protestierenden feuern.

Die Muslimbruderschaft sprach von Angriffen auf friedliche Demonstranten beim Morgengebet. Der Sprecher der Organisation, Gehad al-Haddad, schrieb im Kurznachrichtendienst Twitter, Polizei und Armee hätten versucht, einen Sitzstreik der Mursi-Anhänger mit Gewalt aufzulösen.

In einer Mitteilung betonten die Muslimbrüder, das ägyptische Volk wolle nicht wieder unter einer Militärdiktatur leben und werde den Kampf dagegen fortsetzen. Dieses «abscheuliche Verbrechen» sei ein weiterer Beleg für die Brutalität der Armeeführung.

Abwehr eines «Terrorangriffs»?

Wer sind die Garden?

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Die republikanische Garde gehörte ursprünglich den Streitkräften an. Beim Sturz Mubaraks wandte sich die Eliteeinheit vom Staatsoberhaupt ab. Die Truppe betont seitdem, im Dienst des Volkes zu stehen.

Ihre Aufgabe ist es, den Präsidenten zu schützen und Einrichtungen der Republik. Über die Zahl der Mitglieder ist nichts bekannt.

Opfer sind fast ausschliesslich Anhänger der islamistischen Muslimbrüder. Diese riefen in der Folge ihre Anhänger zu einem Aufstand auf.

Klare Worte verwendete auch die Übergangsregierung: Die Protestierenden sollen sich dem Militär oder sonstigen wichtigen Einrichtungen nicht nähern.

Ein Sprecher der Nur-Partei erklärte über Twitter: «Wir haben als Reaktion auf das Massaker vor dem Club der Republikanischen Garde beschlossen, uns mit sofortiger Wirkung aus allen Verhandlungen zurückzuziehen.» Die Salafisten hätten sich zur Teilnahme an den Beratungen bereiterklärt, um Blutvergiessen zu verhindern: «Nun fliesst das Blut in Strömen.»

Armee gegen Journalisten

Die staatliche Nachrichtenagentur Mena berichtete zudem, zwei ägyptische Soldaten seien von Mursi-Anhängern gefangen genommen worden. Sie hätten unter Druck eine Erklärung abgeben müssen, die für Mohammed Mursi als Präsident spricht. Die beiden Männer konnten später fliehen.

Die Armee hat bei einer Pressekonferenz die Journalisten des Senders Al-Jazeera aus dem Raum verwiesen. Der Reporter eines anderen Medium stand auf und forderte die Armee auf, die Journalisten des Senders aus Katar aus dem Raum entfernen zu lassen. Die Angestellten des Senders verliessen die Pressekonferenz unter lauten «Raus»-Rufen anderer Journalisten.

Al-Jazeera wurde von der Herrscherfamilie in Katar gegründet. Diese gehört zu den starken Unterstützern des abgesetzten Präsidenten Mursi in Ägypten. Der Sender hatte Bilder der Getöteten und Verletzten vom Vormittag verbreitet.

Vereinigte Staaten prüfen Stopp von Rüstungshilfen

Unterdessen haben die USA das ägyptische Militär zur Zurückhaltung aufgefordert. «Wir verurteilen jede Art von Gewalt und auch jede Form der Anstachelung zu Gewalt aufs Schärfste», sagte eine Sprecherin in Washington. Die US-Regierung erwarte vom ägyptischen Militär «maximale Zurückhaltung».

Ein Sprecher von Präsident Barack Obama erklärte, die USA seien besorgt über die Zuspitzung der Lage. Es dürfe nicht zu Racheakten, willkürlichen Festnahmen oder Einschränkungen der Presse kommen. Die US-Regierung prüfe derzeit noch, ob Mursis Entmachtung durch das Militär als Putsch einzustufen sei. In diesem Fall müssten die USA ihre umfangreichen Rüstungshilfen an Ägypten stoppen.

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