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International Politik, wie sie nicht sein sollte

Die deutsche Regierung hat heute die Autobahngebühr für Ausländer ab 2016 beschlossen. Eine Regelung, welche die Mehrheit der Regierungsparteien gar nicht wollte – und die Brüssel als Verstoss gegen EU-Recht bezeichnet. Ein bemerkenswerter Fall von politischem Murks, kommentiert Casper Selg.

Den deutschen Parteien kommen die Stammwähler abhanden. Die CDU hatte Einbussen, im vergangenen Jahrzehnt. Die SPD verlor massiv, die Grünen ebenso. Die FDP ist praktisch verschwunden. Da ist es legitim, wenn die Parteien sich vor einer Wahl fragen, wie man Wähler zurückgewinnt.

SPD und Grüne versuchten es vergangenes Jahr mit Ehrlichkeit. Der Staat brauche mehr Geld, speziell für die Infrastruktur. Da werde man um etwas höhere Steuern – insbesondere für Reiche – kaum herumkommen, sagten sie. Und erlitten damit Schiffbruch.

Die bayrische CSU war da erfolgreicher. Auch sie versprach mehr Geld für die Infrastruktur. Aber sie versprach, das bei den Ausländern zu holen.

Bayrische Autofahrer ärgern sich – wie andere – schon lange darüber, dass man zahlen muss, wenn man auf ausländischen Autobahnen fährt. Dass Ausländer aber auf deutschen Autobahnen gratis fahren können. Hier setzten CSU-Chef Seehofer und sein damaliger Wahlkampfleiter Alexander Dobrindt an, als sie auf ihren Plakaten versprachen, eine Autobahn-Gebühr nur für Ausländer einzuführen. Der Vorschlag kam bestens an beim Wahlvolk. Laut Wählerbefragungen war das glänzende Wahlresultat der CSU zu einem wesentlichen Teil auf dieses Versprechen zurückzuführen.

Nur war vom ersten Moment an zweierlei klar:

  • Erstens war eine Autobahngebühr für Ausländer – gemessen an den anstehenden innen- und aussenpolitischen Problemen Deutschlands -ein vergleichsweise irrelevantes Thema, das hier in den politischen Vordergrund geschoben wurde.
  • Zweitens wurde mit diesem Vorschlag auch sonst Populismus in Reinkultur betrieben: Man nimmt ein Thema, das Emotionen weckt und bietet eine klare, einfache Lösung an, die der Mehrheit gefallen, aber bei Lichte besehen kaum funktionieren wird.

Gebühren nur von Ausländern, aber nicht von Einheimischen zu verlangen, verstösst gegen EU-Recht. Das CSU-Argument, wonach andere Länder ja auch Autobahn-Gebühren von Ausländern erheben, war – von Beginn an klar ersichtlich – falsch. Diese anderen Länder erheben die Gebühr auch von ihren eigenen Fahrern.

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Das aber geht in Deutschland nicht. Im Mutterland der «freien Fahrt für freie Bürger» ist eine Autobahngebühr politisch genauso wenig durchsetzbar wie ein Tempolimit.

Angela Merkel sprach sich deswegen zuerst klar gegen diese Idee aus. Als das bei ihrem Kollegen Seehofer nichts fruchtete, zog sie sich auf die Formel zurück. «Ausländer Maut ja, aber nur wenn sie europakompatibel ist und deutsche Fahrer nicht belastet». Und war überzeugt, damit werde sich das Thema von selber erledigen.

Tat es nicht. Seehofer war bereit, die Koalition scheitern zu lassen, wenn die Ausländer-Maut nicht Regierungsprogramm werde. So kam sie in den Koalitionsvertrag. Allerdings mit den beiden Bedingungen: Europakompatibel und: keine Mehrbelastung für Deutsche. Und seither arbeitet der zum Verkehrsminister aufgestiegene Alexander Dobrindt am Thema: «Wie kriege ich das hin?»

Er versuchte es mit einem dreifach geschraubten doppelten Salto. Er will die Gebühr von allen erheben. Also nicht Ausländer diskriminieren. Um sie dann – in einem anderen Gesetz – den Deutschen über eine reduzierte Motorfahrzeugsteuer wieder zurückzahlen. Womit das Ganze zu einem administrativen und technischen Alptraum wird. Womit aber – vor allem – die Diskriminierung wieder da ist. Was Dobrindt aber heftig bestreitet.

Jetzt hat man ein Gesetz, das in Europa kaum akzeptiert wird, das im Vergleich zu einer einfachen Vignette extrem kompliziert ist, das relativ wenig einbringt und das auch in Deutschland ausser der CSU keiner will. Eine gewaltige Zwängerei zu einem marginalen Thema.

Politik, wie sie nicht sein sollte.

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