Gianni Infantino hat den Kampf um den Fifa-Thron für sich entschieden. Gegen den favorisierten Scheich Salman setzte er sich überraschend im zweiten Durchgang durch.
Infantino will neue Ära einläuten
«Uff», sagte der bisherige Uefa-Generalsekretär und formulierte sein Ziel: «Ich will eine neue Ära bei der Fifa einläuten, bei der der Fussball wieder ins Zentrum rückt. Das ist der Zeitpunkt, wieder zurückzukehren zum Fussball.» Infantino soll nun die Fifa nach unzähligen Affären und Skandalen aus der Krise führen.
Der Zögling des gesperrten Uefa-Chefs Michel Platini setzte sich beim ausserordentlichen Kongress in Zürich im zweiten Wahlgang gegen den lange als Top-Favorit gehandelten Scheich Salman bin Ibrahim al Chalifa aus Bahrain durch. Infantino ist der neunte Fifa-Präsident in der 112-jährigen Geschichte des Weltverbandes und der zweite aus der Schweiz.
Amtszeit Infantinos ist begrenzt
Nach achteinhalb Kongressstunden erhielt Infantino um 17.59 Uhr das für ihn erlösende Ergebnis: 115 Stimmen bedeuteten die nötige Mehrheit. Er muss nun für einen Ausgleich mit der Salman-Fraktion sorgen und das bei ungewöhnlich knapper Fifa-Kasse und mit den Ermittlungen der Justiz im Nacken.
Infantinos erste Amtszeit geht bis 2019. Dann kann er wegen der neuen Statuten maximal noch acht Jahre bleiben – und somit nicht die Dauer-Führung seiner Vorgänger João Havelange (24 Jahre) und Blatter (18 Jahre) kopieren. Blatter liess nur wenige Augenblicke nach der Wahl seine Glückwünsche ausrichten. «Er ist ein würdiger Nachfolger», sagte Blatter. «Er hat alle Qualitäten, meine Arbeit fortzusetzen und die Fifa wieder zu stabilisieren.»
Erster zweiter Wahlgang seit 1974
88 Stimmen für den geschlagenen Scheich Salman zeigen, dass die Infantino-Mehrheit nicht bequem war. Erstmals seit 1974 gab es überhaupt einen weiteren Wahlgang. Sofort will Infantino mit seiner Arbeit beginnen. Sein Wahlspruch, den Fussball zurück zur Fifa zu bringen, muss er mit Leben füllen. Für seinen Plan, die WM auf 40 Teams aufzustocken, kritisieren ihn sogar viele seiner europäischen Verbündeten. Eine grosse Frage wird sein, ob der im System Blatter-Platini sozialisierte Jurist in der Lage ist, für eine neue Kultur in der maroden Funktionärskaste zu sorgen.
Auf seiner ersten Pressekonferenz als Fifa-Präsident sagte der 45-Jährige: «Der Fussball ist nicht gespalten. Wir hatten heute eine Wahl, aber keinen Krieg. Es war ein Rennen, aber kein Kampf.» Er wolle die Fussball-Kontinente vereinen und sei kein «Kandidat Europas, sondern ein Kandidat des Fussballs.»
Bereits im ersten Wahlgang lag Infantino mit 88 Stimmen knapp vorn. Ein Raunen ging durch die Halle, als nur 85 Stimmen für den Scheich verkündet wurden. Da Prinz Ali bin al-Hussein (27) und Jérôme Champagne (7) nicht zurückzogen, ging es in die zweite Runde.
Kurzer Wahlkampf Infantinos
Scheich Salman musste seine Niederlage schliesslich einräumen. Sein Verbündeter Scheich Ahmad Al-Fahad Al-Sabah hatte praktisch den ganzen Tag seinen Platz auf dem Exekutivpodium leer gelassen. Liefen da etwa letzte Notgespräche hinter den Kulissen?
Infantino hatte eine engagierte Schlussrede gehalten. Grossen Applaus bekam er vor allem für seine finanziellen Versprechungen. «Ich frage Sie alle: Wenn die Fifa fünf Milliarden einnimmt, können wir dann nicht 1,2 Milliarden reinvestieren? Das Geld der Fifa ist Ihr Geld. Das Geld der Fifa muss der Entwicklung des Fussballs dienen.» Diese Aufstockung der Zuwendungen war von Scheich Salman als unseriös kritisiert worden.
Sein Wahlkampf im Turbomodus hatte Infantino in den letzten Wochen von einem Aussenseiter zum ernsthaften Kandidaten gemacht. Nun ist er in der Fussball-Hierarchie ganz oben und das nur, weil sein Ziehvater Platini seine Ambitionen auf den Fifa-Thron begraben musste. «Ich habe vor fünf Monaten noch gar nicht daran gedacht, überhaupt zu kandidieren», sagte er.
Kurz vor Beginn der Abstimmung war das Bewerberfeld auf vier Kandidaten geschrumpft. Der chancenlose Aussenseiter Tokyo Sexwale gab am Ende einer launigen Rede seinen Rückzug bekannt.
Zustimmung für Reformpaket
Einen wichtigen Schritt aus der Krise hatte die Fifa kurz zuvor gemacht. Bei der Abstimmung über die dringend notwendigen Reformen votierte die Mehrheit für das Paket, das unter anderem eine Machtbeschränkung für den Präsidenten und die Exekutivmitglieder vorsieht. Insgesamt stimmten 179 von 207 Verbänden für die Reformen, 22 lehnten diese ab, sechs gaben kein Votum ab. Mit der Reform will der Verband die politische von der ökonomischen Entscheidungsebene trennen.