Der deutsche Aussenminister Frank-Walter Steinmeier hat bei seinem ersten Besuch in der Türkei seit dem Putschversuch heftige Vorwürfe zu hören bekommen. Deutschland sei ein Zufluchtsort für PKK-Terroristen und Anhänger des «geisteskranken» Predigers Fethullah Gülen, wetterte Aussenminister Mevcüt Cavusoglu nach einem Gespräch in der Hauptstadt Ankara. Seine Regierung macht die Gülen-Bewegung für den gescheiterten Putsch verantwortlich.
Steinmeier kritisierte seinerseits die Massenverhaftungen der vergangenen Monate sowie die jüngsten Einschränkungen der Meinungsfreiheit. «Versteht es bitte in der Türkei nicht als Anmassung, nicht als Belehrung von oben herab», fügte er hinzu. Der «direkte Kontakt» sei wichtig und besser als gegenseitige Schuldzuweisungen über die Medien, betonte Steinmeier.
Treffen mit Erdogan und Yildirim geplant
Auch die türkische Seite demonstrierte, dass sie trotz aller Misstöne im Gespräch bleiben will. Ministerpräsident Binali Yildirim und Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan erklärten sich kurzfristig bereit, Steinmeier zu empfangen. Der Gast aus Berlin wurde ausserdem durch das Parlament geführt, wo noch Schäden aus der Putsch-Nacht zu sehen sind.
Cavusoglu kritisierte noch einmal die Armenier-Resolution des Bundestages. Gleichzeitig drückte er seine Hoffnung aus, dass die deutsch-türkischen Beziehungen bald wieder «auf dem alten Stand» sein könnten.
Steinmeier sagte, er sei «mindestens irritiert» über Erdogans Vorwurf, Deutschland sei ein sicherer Rückzugsraum für Terroristen der verbotenen Arbeiterpartei PKK. Diesen Vorwurf «können wir schlicht und einfach nicht nachvollziehen», fügte er hinzu. Er dankte Cavusoglu «für ein heute nicht ganz einfaches Gespräch».
Treffen mit pro-kurdischer Partei
Steinmeier hat bei seinem Besuch in Ankara auch Abgeordnete der pro-kurdischen HDP getroffen. Das Gespräch mit Osman Baydemir, Mithat Sancar und Ziya Pir fand im Parlamentsgebäude statt. Pir lebte früher in Duisburg. Er war vor wenigen Tagen vorübergehend festgenommen worden. Die beiden HDP-Vorsitzenden Selahattin Demirtas und Figen Yüksekdag sind seit Anfang November in Haft wegen «Unterstützung einer terroristischen Vereinigung».
Menschenrechtler und Oppositionelle werfen der türkischen Regierung vor, sie nutze den Putschversuch vom 15. Juli und die Terrorbekämpfung als Vorwand, um Kritiker mundtot zu machen und alte Rechnungen zu begleichen.