Angriffig macht Alexis Tsipras vom Linksbündnis Syriza seit vier Jahren Front gegen die strikten Sparvorgaben, die internationale Geldgeber Griechenland auferlegt haben. Mit Erfolg: Seine Partei steht bei den Neuwahlen vom 25. Januar gemäss Umfragen vor einer möglichen Machtübernahme.
Sympathisanten sehen in ihm einen charismatischen Anführer. Seine politischen Gegner karikieren ihn immer noch als oberflächlichen Phrasendrescher. Er ist bekannt für Rundumschläge – innen- sowie aussenpolitisch. Tsipras wird auch deshalb in der öffentlichen Wahrnehmung in viele Schubladen gesteckt:
Der Blender
Eine Syriza-Regierung und die Memoranden sind zwei unvereinbare Begriffe
Die Aussagen Tsipras' zu den bisher zwei Memoranden, der Absichtserklärung zur Einhaltung der Sparvorgaben der internationalen Geldgeber, waren 2013 prägnanter als heute. «Das Memorandum wird mit dem Tag des Wahlsiegs von Syriza sowieso enden», so Tsipras im April 2013.
Heute, mit Blick auf eine tatsächliche Übernahme der Macht, hat er in diesem Punkt seine Rhetorik gemässigt. Tsipras betonte diese Woche, dass er «im Falle eines Wahlsiegs nicht einseitig handeln will». Die Diskussion um einen Euroaustritt sieht er als reine «Drohkulisse».
Der Provokateur
Anders verhält er sich in seinen Meinungsäusserungen zu politischen Kontrahenten. Europas Finanzminister beschimpft er seit Jahren als «Gangster». Gerne äussert er sich immer wieder ironisch gegen Ministerpräsident Antonis Samaras.
Wir ermutigen den Premierminister, sich auf seinen heroischen Abgang vorzubereiten
Tsipras prägt auch eigene Begriffe. Seine Gegner – allen voran Samaras – bezeichnet er gerne als «Merkelisten», welche einfach das Spardiktat aus Berlin in die Tat umsetzten.
Der Merkel-Gegner
Neben Samaras ist ist die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel eines seiner liebsten Opfer. Sie zerstöre mit ihren «falschen protestantischen Prinzipien» Europa, schimpft er.
In der EU diskutieren 27 Personen, und am Ende geschieht das, was Merkel will
«Eine kleine Minderheit», so Tsipras, «versammelt um die konservative Führung der deutschen Regierung, besteht darauf, die Ammenmärchen und Geschichten vom Austritt Griechenlands weiter zu erzählen.»
Der Mann des Volkes
Wir sind keine politische Kraft, die vor den Wahlen etwas anderes sagt und nach den Wahlen etwas anderes tut
Daran misst die Wählerschaft jeden Politiker. Besonders aber wird Alexis Tsipras bei einem Wahlsieg diesen Beweis antreten müssen. Wenn er an die Macht kommt, sollen seinen Worten zufolge «die Märkte nach der Musik Griechenlands tanzen» und nicht wie bisher umgekehrt.
Er hat sich europaweit einen Namen gemacht mit seinen ambitionierten Wahlversprechen. Sie kommen beim unter den Sparmassnahmen leidenden Volk gut an. Versprochen wird unter anderem eine Bonuszahlung für Pensionäre mit Bezügen von weniger als 700 Euro im Monat, ein staatliches Investitionsprogramm oder die Rücknahme eingeführter Mindestlohn- und Rentenkürzungen.
Sein vergleichsweise bescheidenes Jahreseinkommen von zuletzt 48'000 Euro und ein Wohnsitz in einem Arbeiterviertel verschaffen ihm einen zusätzlichen Sympathiebonus.
Der Kapitalismus-Kritiker
Der Euro ist strategischer Entscheid der europäischen Elite, weil sie damit Milliarden verdient – die Furcht vor einem Euro-Zusammenbruch führt dazu, den Völkern die Sparmassnahmen aufzuzwingen
Mit linken Kampfbegriffen bezeichnet Tsipras die Probleme der Finanzmärkte in den letzten Jahren als Krise des Systems. Geprägt hat er auch den Begriff «des Direktorats des Nordens».
Damit schart er einen grossen Teil der linken Strömungen im Land hinter sich. Gleichzeitig besänftigt er damit den starken linken Aussen-Flügel innerhalb seines linken Bündnisses, welche sich als Befürworter einer Wiedereinführung der Drachme hervortun.
Trotz aller Schubladen: Hinter den Kulissen wird bei der EU gewarnt, den möglichen griechischen Wahlsieger Tsipras zu verteufeln. Denn: Auch er werde Kompromisse machen und in einer Koalition regieren müssen. Der Kompromissbereite: Dies wäre nach dem 25. Januar die neuste Schublade, wenn Oppositionsführer Tsipras dann wirklich regieren will.