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Die Blaue Moschee in Istanbul.
Legende: Geht es nach der Türkei, sollen Moscheen, wie hier die Blaue Moschee in Istanbul, bald auch in Ländern wie Kuba stehen. Keystone

International Türkei will mit Moscheenbau im Ausland Machtanspruch ausweiten

Die Türkei will neue Moscheen bauen – auch in Ländern, in denen es kaum Muslime gibt. Dabei gehe es dem türkischen Präsidenten Erdogan weniger um das Wohl der dortigen Muslime. Im Zentrum stehe sein Führungsanspruch gegenüber anderen islamischen Ländern, sagt ein Journalist in Istanbul.

SRF: Die Türkei plant, in etlichen Ländern Moscheen bauen zu lassen – auch auf Kuba. Warum ausgerechnet dort?

Thomas Seibert: Die offizielle Begründung lautet, es gebe dort bisher keine Moscheen. Und das brauche es für die etwa 3500 Muslime auf Kuba, die in kein Gotteshaus gehen könnten. Sie müssten in ihren eigenen Häusern beten. Der türkische Präsident Erdogan war letzte Woche auf Kuba und hat der kubanischen Regierung das türkische Projekt unterbreitet. Die Idee ist, gleich zwei Moscheen bauen, eine in der Hauptstadt Havanna und eine in der südlichen Stadt Santiago.

Die Türkei will auch in anderen Ländern Moscheen bauen – etwa in den USA, aber auch in muslimischen Ländern wie Somalia oder in Zentralasien. Was steckt hinter diesen Bauplänen?

Thomas Seibert

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Der Journalist Thomas Seibert ist USA-Korrespondent des «Berliner Tagesspiegels». Zuvor berichtete er während 20 Jahren für verschiedene Zeitungen und Radiosender aus der Türkei.

Insgesamt gibt es 18 grössere Moscheeprojekte der Türkei in mehr als einem Dutzend Ländern. Das Spannnetz reicht von Kasachstan bis in die Karibik. Die Türkei will damit ihren Führungsanspruch als führende Nation der islamischen Welt unterstreichen. Das kommt in einigen der Projekte ganz klar zum Ausdruck – zum Beispiel in Albanien in der Hauptstadt Tirana. Dort baut die Türkei die grösste Moschee auf dem Balkan für 3500 Gläubige. Hier geht es klar nicht nur die Hilfe für Muslime, die möglicherweise kein Gotteshaus haben. Es geht vor allem um eine Machtdemonstration. Die Türkei sagt damit: <Schaut her, wir kümmern uns um Muslime in der ganzen Welt.>

Es ist vor allem auch eine Machtdemonstration von Präsident Erdogan. Wie kommt das in Ländern wie Kuba oder Kasachstan an?

Teileise reagieren die Politiker in den entsprechenden Ländern verwundert. Man hat das bei Erdogans Besuch auf Kuba gemerkt. Dort haben die kubanischen Behörden zurückhaltend reagiert. Sie haben sich die Pläne zeigen lassen, aber haben keinesfalls sofort zugestimmt. In anderen Ländern wird das türkische Engagement dagegen begrüsst. Das beste Beispiel dafür ist Somalia. Die Türkei ist dort sehr engagiert. Die türkische Fluggesellschaft bietet etwa einen Direktflug von Istanbul nach Mogadischu an. Erdogan hat Somalia kürzlich auch besucht. Die somalische Regierung freut das, weil sie sonst kaum internationale Unterstützung erhält.

Wird Erdogan in anderen islamischen Ländern in dieser Rolle ernst genommen?

In der Region um die Türkei wird dieser türkische Führungsanspruch ernst genommen, aber nicht einhellig begrüsst. Die Türkei hat ein sehr angespanntes Verhältnis zu den umliegenden Ländern – etwa zu Ägypten, Israel, Syrien, Irak, Iran oder Saudi-Arabien. Ein Grund für das angespannte Verhältnis ist der türkische Führungsanspruch. In diesen Ländern erinnern sich die Menschen noch sehr genau an die Herrschaft des Osmanenreichs bis zum ersten Weltkrieg. Damit war man nicht einverstanden. Deshalb entsteht ein ungutes Gefühl, wenn die Türkei wieder anfängt, Führungsansprüche anzumelden.

Also macht Erdogan das Ganze auch für das Publikum zuhause?

Das ist ein Aspekt. Im Juli stehen in der Türkei Parlamentswahlen an. Wenn Erdogan zeigen kann, dass er sich um Muslime in aller Welt kümmert, dann hilft ihm das sicher bei seiner eigenen konservativen Wählerschaft in Anatolien.

Auch Saudi-Arabien will offenbar in Kuba Moscheen bauen – entsteht da eine Konkurrenz unter islamischen Ländern?

Auf Kuba ist es auf jeden Fall so. Die Kubaner haben Erdogan gesagt, dass sie schon den Saudis versprochen haben, dass sie eine Moschee bauen können. Erdogan hat sich davon aber nicht abschrecken lassen. Er sagte, dann bauen wir halt noch eine. Die Frage ist, ob die Muslime auf Kuba so etwas überhaupt brauchen. Die Konkurrenzsituation mit Saudi-Arabien ist damit auf jeden Fall gegeben. Die osmanischen Sultane waren früher die Oberhäupter der islamischen Welt. Jetzt ist Saudi-Arabien praktisch der Hüter der heiligen Stätten der Muslime. Das aggressive Werben um den türkischen Führungsanspruch wird diese Konkurrenzsituation in den nächsten Jahren noch mehr anfachen.

Das Gespräch führte Barbara Peter.

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