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Oberstes Gericht kippt Teile der Justizreform
Aus Tagesschau vom 01.01.2024.
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Israel Oberstes Gericht kippt Kernelement der Justizreform

  • Das oberste Gericht in Israel hat Teile der umstrittenen Justizreform gekippt.
  • Konkret soll das Gericht laut dem Urteil weiterhin Regierungsentscheidungen aufheben können – wenn es sie als unangemessen taxiert.
  • Das Urteil fiel mit 8 zu 7 Stimmen der Richterinnen und Richter äusserst knapp aus.

Die von der rechtsnationalen Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erlassene Regelung hätte dem Obersten Gericht die Möglichkeit genommen, Entscheidungen der Regierung als «unangemessen» zu kippen.

Die Justizreform in Israel gilt als eines der zentralen Projekte von Regierungschef Benjamin Netanjahu. Die Reform hatte monatelange landesweite Proteste ausgelöst. Netanjahus Likud-Partei erklärte in einer ersten Stellungnahme, das Urteil stehe im Widerspruch zum Wunsch des Volkes nach Einheit, insbesondere im Angesicht des Krieges.

Kurzeinschätzung von Auslandredaktorin Susanne Brunner

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«Es spricht für die Richterinnen und Richter des Obersten Gerichts, dass sie sich selbst in Kriegszeiten nicht scheuen, ein so wichtiges Urteil zu fällen. Israel führt nicht nur Krieg gegen die Hamas. Seit Monaten tobt auch ein innenpolitscher Streit um das Demokratieverständnis des Landes. Würde man Premier Netanjahus Regierung ungehindert Grundgesetze abändern lassen, wie sie sich das wünscht, wäre das gerade in Kriegszeiten sehr gefährlich.»

Gegner der Justizreform sprechen dagegen von einem historischen Tag. Es sei ein öffentlicher Sieg für die Leute, die für Demokratie in Israel kämpften. Seit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober und dem Beginn des Gaza-Krieges war das Gesetz aber auf Eis gelegt.

Erstmalig in der Geschichte

In Israels Geschichte wurde bisher noch nie ein vergleichbares Gesetz vom Obersten Gericht gekippt. Sollte die rechtsreligiöse Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die Entscheidung nicht akzeptieren, droht dem Land eine Staatskrise.

Die Regierung hatte die Gesetzesänderung trotz massiven Widerstands im Parlament durchgesetzt. Israels Oberstes Gericht war daraufhin im September zu einer historischen Gerichtsverhandlung zusammengetreten. Erstmals in der Geschichte des Landes kamen alle 15 Richter zusammen, um über acht Petitionen gegen die verabschiedete Grundgesetzänderung zu beraten.

Die von der Regierung seit ihrer Vereidigung vor einem Jahr massiv vorangetriebene Justizreform hatte die israelische Gesellschaft tief gespalten. Über Monate gingen immer wieder Hunderttausende Menschen auf die Strasse, um dagegen zu protestieren. Kritiker stuften das Vorgehen der Regierung als Gefahr für Israels Demokratie ein.

Tausende Menschen protestieren auf der Strasse und tragen ein riesiges Banner mit der Aufschrift: «SOS»
Legende: In Israel fanden vor dem Gaza-Krieg landesweit immer wieder – wie hier am 15. Juli 2023 – Massenproteste gegen die von der Regierung geplante Reform des Justizwesens statt. KEYSTONE/EPA/ABIR SULTAN

Netanjahus Regierung argumentierte dagegen, das Gericht sei in Israel zu mächtig, man wolle lediglich ein Gleichgewicht wiederherstellen. Verhandlungen über einen Kompromiss waren erfolglos geblieben.

Viele sahen die monatelangen heftigen Streitigkeiten als einen Grund dafür, dass Israel am 7. Oktober von dem verheerenden Angriff der islamistischen Hamas im Grenzgebiet so überrascht werden konnte.

Entwurf des Urteils geleakt

Der israelische Sender N12 hatte einen Entwurf des Urteils des Obersten Gerichts geleakt. Aus formalen Gründen hatte das Gericht bis zum 12. Januar Zeit zur Veröffentlichung seiner Entscheidung. Justizminister Jariv Levin, der als treibende Kraft hinter der Reform gilt, hatte das Gericht dennoch aufgefordert, die Urteilsverkündung bis nach dem Krieg zu verschieben. «Während unsere Soldaten Seite an Seite an verschiedenen Fronten kämpfen und während die ganze Nation über den Verlust vieler Leben trauert, darf das Volk Israel nicht durch Streitigkeiten zerrissen werden», argumentierte Levin.

Für Netanjahu ist das Urteil ein weiterer Rückschlag. In Umfragen hatte er seit dem 7. Oktober massiv an Popularität verloren. Viele nehmen ihm übel, dass er bislang keine persönliche Verantwortung dafür eingeräumt hat, dass das Hamas-Massaker am 7. Oktober geschehen konnte.

Unklar ist, wie die Regierung auf das Urteil reagieren wird. In einem Interview des US-Senders CNN im September wollte Netanjahu nicht eindeutig auf die Frage antworten, ob er eine Entscheidung des Gerichts gegen die Gesetzesänderung respektieren würde. Netanjahu sagte damals: «Ich glaube, wir sollten uns an die Urteile des Obersten Gerichts halten und das Oberste Gericht sollte sich an die Grundgesetze halten, die das Parlament verabschiedet.»

SRF 4 News, 01.01.2024, 19:00 Uhr;

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