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Justizreform in Israel Israels fragile Demokratie vor Gericht

Der 12. September 2023 wird in die Geschichte Israels eingehen. Zum ersten Mal in seiner Geschichte versammelten sich alle 15 Richterinnen und Richter des Obersten Gerichts, um über ein Grundgesetz zu beraten. Israel hat keine ordentliche Staatsverfassung, sondern nur eine Reihe von verfassungsähnlichen Grundgesetzen. Diese können ganz einfach abgeändert werden.

Rolle des Obersten Gerichtes in Gefahr

Das haben Premier Netanjahu und seine Verbündeten aus dem rechtsradikalen und ultra-religiösen Lager ausgenützt. Sie haben das Grundgesetz über die Rolle der Justiz so umformuliert, dass sie das Oberste Gericht als Kontrollinstanz ausschalten. Dagegen haben die Bevölkerung und Organisationen geklagt. Ihre Begründung lautet im Wesentlichen: Damit verändere die Regierung Israels «demokratischen Charakter».  Regierungsanhänger bestreiten das und verweisen auf die Neigung des Gerichts, parlamentarisch verabschiedete Gesetze ausser Kraft zu setzen und sich damit über den «Volkswillen» hinwegzusetzen.

Mehr als zwölf Stunden lang hörten sich die Richterinnen und Richter Argumente der Kläger und der Regierungsanwälte an. Sie stellten kritische Fragen. Was, wenn die Regierung alle Grundgesetze abschafft, und das Gericht machtlos ist, Minderheiten zu schützen? Was, wenn die Regierung an der Macht bleibt, obwohl sie Wahlen abhalten müsste?

Diktatur der Mehrheitsregierung oder Diktatur der Richter

Die Gerichtssitzung wurde live übertragen. Und sie zeigte, wie fragil die «einzige Demokratie im Nahen Osten» ist. Seit der Staatsgründung Israels schien der breite gesellschaftliche Konsens zu genügen, dass Israel ein «jüdischer und demokratischer» Staat ist. Den Konsens gibt es zwar heute noch. Unter «jüdisch» und «demokratisch» verstehen aber längst nicht mehr alle dasselbe.

Die Gesellschaft ist, wie anderswo auch, zunehmend polarisiert. Die beiden Pole wollen ein Israel nach ihren Vorstellungen durchsetzen. Beide Seiten befürchten eine Diktatur: Entweder eine Diktatur der Mehrheitsregierung oder eine Diktatur der Richter. Die Regierung hat vor und während der Gerichtsverhandlung verkündet, sie werde dem Gericht nicht folgen, sollte dieses nicht in ihrem Sinne entscheiden. Diese Aussage alleine zeigt, wie zerbrechlich Israels Demokratie ist.

Susanne Brunner

Leiterin Auslandredaktion

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Susanne Brunner war für SRF zwischen 2018 und 2022 als Korrespondentin im Nahen Osten tätig. Sie wuchs in Kanada, Schottland, Deutschland und in der Schweiz auf. In Ottawa studierte sie Journalismus. Bei Radio SRF war sie zuerst Redaktorin und Moderatorin bei SRF 3. Dann ging sie als Korrespondentin nach San Francisco und war nach ihrer Rückkehr Korrespondentin in der Westschweiz. Sie moderierte auch das «Tagesgespräch» von Radio SRF 1. Seit September 2022 ist sie Leiterin der Auslandredaktion von Radio SRF.

Hier finden Sie weitere Artikel von Susanne Brunner und Informationen zu ihrer Person.

Echo der Zeit, 12.09.2023, 18:00 Uhr

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