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Israelischer Friedensaktivist «Rache in Gaza wird meine Eltern nicht ins Leben zurückbringen»

Die Eltern von Maoz Inon wurden am 7. Oktober von Hamas-Kämpfern umgebracht. Doch der israelische Unternehmer will keine Rache, sondern fordert einen Waffenstillstand. Warum er an einen Frieden glaubt, erzählt er im Gespräch mit dem «Club».

Maoz Inon

Israelischer Friedensaktivist

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Maoz Inon ist ein israelischer Sozialunternehmer und Friedensaktivist, der mehrere Tourismusinitiativen in Israel und im Nahen Osten gegründet hat. Am 7. Oktober wurden seine Eltern Bilha und Yakovi Inon von Hamas-Kämpfern getötet. Bei dem Überraschungsangriff wurden 1300 Menschen in Israel von der Hamas ermordet.

SRF News: Sie waren mit Ihren Eltern in Kontakt, als die Hamas in den Kibbuz eindrangen. Am Telefon hörten Sie Schüsse. Wie haben Sie von deren Tod erfahren?

Maoz Inon: Wir haben den Dorfvorsteher gebeten, uns zu informieren, wenn er etwas wisse. Die Ungewissheit war schrecklich. Um 17 Uhr rief er an und sagte, das Haus meiner Eltern sei ausgebrannt, es habe zwei Leichen drin. Wir riefen die Geschwister, die Kinder und die Enkelkinder an. Wir kamen zusammen und haben gemeinsam geweint.

Sie sagen: Rache in Gaza wird meine israelischen Eltern nicht ins Leben zurückbringen. Sie wurden nach dem Massaker zum Friedensaktivisten?

Ich habe das nicht geplant. Ich bin kein Pressesprecher, kein Politiker. Aber mein Geist ist sehr klar. Ich engagiere mich seit 20 Jahren für israelisch-palästinensische Initiativen. Jemand muss den Mut haben, den Kreislauf von Gewalt und Blutvergiessen endlich zu beenden.

Ich bin auch mit der Geschichte der Palästinenser vertraut, mit der Nakba, den Intifadas, dem Zustand, der im Westjordanland herrscht und von der israelischen Regierung kontrolliert wird. Ich ertrinke in einem Ozean aus Trauer und Schmerz, aber ich suche keine Rache. Rache wird die Katastrophe nur noch grösser machen. Krieg ist nie die Antwort.

Was sagen Sie den Israeli, die sagen, wir müssen alles tun, um die Hamas auszulöschen, wir müssen uns schützen?

Ich bin natürlich der Meinung, dass diejenigen bestraft werden sollen, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben. Aber es sollte unter diplomatischem Druck und unter internationalem Recht geschehen und nicht durch Bombardierung von Gaza.

Weinen Sie mit den Palästinensern und den Israeli. Unsere Tränen werden die Wunden auf beiden Seiten heilen.

Was fordern Sie von der israelischen Regierung?

Es braucht einen sofortigen Waffenstillstand. Wir müssen die Geiseln mit einer diplomatischen Lösung nach Hause bringen. Und Netanjahu muss gehen, denn er versprach uns Sicherheit und Frieden und ist gescheitert. Wir müssen aufhören, das zu tun, was wir vorher getan haben. Wir brauchen eine neue Politik. Wir müssen eine Zukunft aufbauen, in der Palästinenser und Israelis in Frieden zusammenleben können, basierend auf den Werten Gleichheit, Gerechtigkeit und Partnerschaft.

Ich glaube nicht, dass ein Friede mit dieser Regierung möglich ist, da ersetzt nur ein General den anderen. Und wenn man durch das Zielfernrohr des Gewehrs auf die Realität blickt, sieht man nur Feinde.

Was erhoffen Sie sich von der internationalen Gemeinschaft?

Machen Sie Druck auf Ihre Regierungen. Rufen Sie die EU-Behörden und Diplomaten dazu auf, Israel zu einem Waffenstillstand zu zwingen. Helfen Sie uns, die Entführten friedlich nach Hause zu bringen. Und weinen Sie mit uns. Weinen Sie mit den Palästinensern und den Israeli. Unsere Tränen werden die Wunden auf beiden Seiten heilen.

Ihr Ansatz deckt sich nicht mit der Stimmung in der Öffentlichkeit. Woher nehmen Sie den Glauben daran?

Ich trage das Erbe meiner Eltern weiter. Mein Vater war Bauer. In einem Jahr gab es eine Dürre, dann Überschwemmungen und dann Insekten. Aber jeden Sommer erzählte er uns, dass er im Winter wieder Weizen säen werde. Und ich werde weiterhin die Samen des Friedens säen.

Das Gespräch führte Barbara Lüthi.

Club, 31.10.2023, 22:25 Uhr ; 

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