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Jerusalem als Hauptstadt «Trumps Beschluss wird in Zukunft noch wehtun»

Barack Obamas Nahostberater reagiert mit Unverständnis: US-Präsident Trump riskiere eine Eskalation in Nahost, nur um seine eigene Klientel zufriedenzustellen.

SRF News: Was war Ihre erste Reaktion auf die Ankündigung von Donald Trump, Jerusalem als Israels Hauptstadt anzuerkennen?

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Legende: Twitter

Der US-Amerikaner Robert Malley befasst sich seit Jahrzehnten mit dem Nahostkonflikt. Er ist Vizepräsident der Nichtregierungsorganisation «International Crisis Group», die von westlichen Stiftungen, Regierungen und Unternehmen finanziert wird. Unter den demokratischen US-Präsidenten Bill Clinton und Barack Obama war er Nahostberater.

Robert Malley: Es ist ein logischer Entscheid. Der allerdings auf keiner aussenpolitischen Empfehlung beruht. Jedenfalls keiner aus den USA. Der Entscheid wird nichts Positives bewirken. Er riskiert vielmehr Negatives. Es ist ein rücksichtsloser, unratsamer und unnötiger Schritt, der nur unternommen wurde, um ein einheimisches politisches Versprechen einzulösen, um eine einheimische Wählerschaft zu befriedigen. Davon hätte wohl jeder Auslandspezialist abgeraten.

Andererseits: Vor Ort ändert Trumps Entscheid nicht viel. Jerusalem ist faktisch die Hauptstadt von Israel.

Es geht nicht darum, dass Israel Jerusalem als Hauptstadt betrachtet. Es geht darum, dass die Palästinenser den Status von Jerusalem aushandeln wollten. Es stimmt: Der Entscheid ändert nichts am Ort, aber er ändert etwas in den Köpfen der Leute. Dieser Schritt ist sinnlos. Wir haben heute die Demonstrationen gesehen, hoffentlich gibt es keine Eskalation. Von einer aussenpolitischen Warte aus ist schwierig zu sehen, was Trump zu diesem Entscheid bewegt, was der Impuls dazu war. Es gab keine Notwendigkeit dafür. Aber es sendet ein Signal an die Leute in Palästina und anderswo: Sie werden das als Befangenheit, als Voreingenommenheit der USA werten.

US-Präsident Trump sagt, die Anerkennung von Jerusalem als Hauptstadt von Israel sei ein Beitrag zum Friedensprozess. Sie glauben das nicht unbedingt?

Präsident Trump hat das gestern nicht ausgeführt. Ich wäre aber froh, wenn mir jemand erklären könnte, wie das dem Friedensprozess helfen soll. Der Entscheid zwingt eine Seite, nämlich die Palästinenser, dazu, das anzuprangern und eine harte Haltung einzunehmen. Niemand kann ehrlicherweise darlegen, wie das hilfreich sein kann. Trump hat nichts weiter getan, als ein Wahlversprechen einzulösen.

Malley mit dem damaligen US-Aussenminister Kelly und seinem iranischen Amtskollegen Zarif in Lausanne.
Legende: Malley (links oben) nahm 2015 auch an den Verhandlungen über das Atomabkommen mit Iran teil. Reuters

Den Friedensprozess zwischen Israelis und Palästinensern – gibt es den überhaupt?

Nein. Der Entscheid des US-Präsidenten gefährdet insofern auch nicht einen laufenden Friedensprozess. Aber er belastet die Zukunft und bewirkt, dass sich Einstellungen und Haltungen verhärten, was möglicherweise mehr Gewalt bringt. Der Präsident sprach die Anerkennung aus, obwohl sein eigenes Aussendepartement in den letzten Tagen davor gewarnt hatte. Trump wusste also, dass das riskant war. Für seine Landsleute, aber auch für andere.

Es ist keine gute Zeit, ein Palästinenser zu sein.
Autor: Robert Malley Zur Isolation und Zerstrittenheit der Palästinenser

Heisst das, Sie glauben Trump auch nicht, dass er eine Zwei-Staaten-Lösung akzeptieren würde, wenn Israel und die Palästinenser sich darauf einigten?

Das heisst schon mal gar nichts. Trump sagte übrigens schon vor ein paar Monaten, dass die USA eine Zwei-Staaten-Lösung akzeptieren werden. Was soll er auch sonst sagen? Es war eine der sonderbarsten Aussagen in Trumps Statement. Er hätte genau so gut eine Acht-Staaten-Lösung anerkennen können. Es heisst einfach, dass die USA akzeptieren werden, was die Konfliktparteien beschliessen. Aber das ist nicht wirklich beruhigend. Die beiden Parteien sind weit davon entfernt, auch nur irgendetwas zu beschliessen.

Eine weitere Schwierigkeit liegt darin, dass die Palästinenser nicht mehr richtig auf die Unterstützung der arabischen Staaten zählen können.

Es stimmt, die arabischen Regierungen interessieren sich nicht mehr gross für die palästinensische Sache. Jedenfalls nicht, solange die eigene Bevölkerung nicht in Aufruhr gerät. Die Spaltung in Fatah und Hamas bringt den Palästinensern zusätzliche Schwierigkeiten – neben verschiedenen Beschlüssen der Israelis. Und natürlich, dass sie nicht mehr auf die USA zählen können. Es ist keine gute Zeit, ein Palästinenser zu sein.

Sie haben für die ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton und Barack Obama gearbeitet. Ohne jeden Erfolg im Nahost-Konflikt. Sehen Sie trotz aller Zweifel eine Chance, dass es dennoch klappen könnte?

Ich würde noch so gerne Ja sagen. Ich kann aber weder Präsident Trump noch einen anderen Präsidenten anklagen, dass der Friedensprozess immer wieder scheitert. Präsident Clinton schaffte es nicht, genau so wenig wie seine Nachfolger George W. Bush und Barack Obama. Der gestrige Beschluss von Trump wird allerdings in Zukunft noch wehtun. Doch auch die Politik der Israelis und der Palästinenser macht es derzeit schwierig, eine Lösung zu finden oder an ein lebensfähiges Friedensabkommen zu glauben.

Das Gespräch führte Samuel Wyss.

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