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John Boltons Notiz Eine Entsendung von US-Truppen würde zum Hochrisikoakt

«5000 Soldaten nach Kolumbien»: Dass die Journalisten die Bemerkung auf dem Notizblock lesen konnten, dürfte kein Zufall sein. Einem gewieften Strippenzieher wie John Bolton passiert ein solcher «Lapsus» nicht einfach so.

Die Vermutung liegt also nahe, dass der US-Sicherheitsberater ein deutliches Signal senden wollte. Zum einen an die Adresse des venezolanischen Staatschefs Nicolás Maduro. Im Sinne von: «Fürchte Dich. Wir sind auch bereit, militärische Mittel einzusetzen.» Zum andern auch an das aussen- und sicherheitspolitische Establishment in Washington, die militärische Option ernsthaft zu erwägen.

Einmarsch wenig wahrscheinlich

John Bolton ist ein Haudegen. Für ihn ist Krieg nicht das allerletzte Mittel, falls Politik oder Sanktionen versagen. Krieg sieht er schlicht und in vielen Fällen als durchaus passende Variante der Politik.

Dennoch ist vorläufig ein US-Einmarsch via Kolumbien in Venezuela wenig wahrscheinlich. Das sehen auch die meisten amerikanischen Militär- und Strategieexperten so. Aus folgenden Gründen:

  • Die USA ärgern sich seit zwanzig Jahren über die linkspopulistischen Machthaber in Venezuela, zuerst über Hugo Chávez, jetzt über Nicolás Maduro. Zwar leiden immer mehr Venezolaner unter der Situation in ihrem Land. Doch für die USA ist die Lage nicht bedrohlicher geworden, obschon Bolton auf einmal von einer bedeutenden strategischen Bedrohung spricht.
  • Ein Einmarsch wäre völkerrechtswidrig. Das allein dürfte die USA zwar nicht davon abhalten. Es würde damit aber schwierig, Alliierte zur Unterstützung zu bewegen, sollte diese vonnöten sein.
  • Eine Militäroperation widerspräche fundamental der «America-First»-Politik von Donald Trump. Der US-Präsident will Truppen abziehen aus Syrien, aus Afghanistan, er will das Nato-Engagement reduzieren – dazu würde überhaupt nicht passen, in Venezuela einen neuen Krieg vom Zaun zu brechen. Trumps Wähler, viele von ihnen Isolationisten, würden das nicht goutieren. US-Soldaten sterben lassen für mehr Demokratie in einem lateinamerikanischen Land!
  • Eine Militäroperation in Venezuela dürfte sich kaum nach dem Prinzip «schnell rein – schnell raus – Problem gelöst» bewerkstelligen lassen. Die USA könnten in eine langwierige Auseinandersetzung mit ungewissem Ausgang hineingezogen werden. Zumal Russland – und in geringerem Masse China – eben im UNO-Sicherheitsrat klargemacht haben, dass sie hinter dem Maduro-Regime stehen. Zwar hätten sie punkto Feuerkraft das Nachsehen gegenüber den USA in deren Hinterhof. Sie könnten aber US-Sonderkommandos und -Truppen das Leben schwer machen.

Stellvertreterkonflikt in Venezuela

Die Gemengelage zeigt, dass der venezolanische Konflikt – genau so wenig wie der syrische oder der jemenitische – keine rein interne Auseinandersetzung ist. Es handelt sich in wachsendem Masse um einen Stellvertreterkonflikt grosser Mächte. Das macht eine Lösung erst recht schwierig.

Und es würde eine Entsendung von US-Truppen zu einem Hochrisikoakt machen, auf den die Generäle im Pentagon wenig Appetit haben dürften. Und mit dem Trump bei seinen Kernwählern kaum Lorbeeren ernten würde.

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

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Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

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