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International «Juncker wäre immer der Diener zweier Herren»

In der EU tobt seit Wochen ein heftiger Streit darüber, ob der Konservative Jean-Claude Juncker als Spitzenkandidat der stärksten Fraktion im EU-Parlament automatisch nächster Kommissionspräsident wird. Ein Ausweg ist derzeit nicht in Sicht. Ein EU-Experte sagt, wie es weitergehen könnte.

SRF: «Es geht nicht um Juncker», ist in diesen Tagen häufig zu hören, wenn über den neuen EU-Kommissionspräsidenten gesprochen wird. Worum geht es dann?

Nicolai von Ondarza, EU-Integrationsexperte: Es geht um das Machtverhältnis zwischen den EU-Institutionen: dem Europäischen Parlament, das gerne den Kommissionspräsidenten bestimmen will, und den nationalen Regierungen im Europäischen Rat, die das bisher getan haben.

Eigentlich ist die Ausgangslage klar: Der Vertrag von Lissabon bestimmt, dass der Rat den Kommissionspräsidenten vorschlägt.

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«Gegen EU-Parlament bringt auch Merkel keinen Kandidaten durch»
aus Echo der Zeit vom 11.06.2014. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 5 Minuten 42 Sekunden.

Es heisst aber auch, dass sie das Ergebnis der Wahlen des Europäischen Parlaments beachten. Das Parlament wählt diesen Kommissionspräsidenten. Diese Formulierung ist neu. Die Spitzenkandidaten stützten sich darauf, dass das Parlament das letzte Wort hat.

Wenn aber der britische Premier Cameron gegen Juncker ist, dann berücksichtigt er das Wahlergebnis der Ukip sehr stark.

Ja, und das wird noch ein Problem werden. Wenn der Europäische Rat letztlich einen Kandidaten vorstellt, der nicht zu den Spitzenkandidaten gehört, kann das Parlament ihn ablehnen. Die Vertreter der nationalen Regierung stützen sich darauf, dass der Rat jemanden nominiert. Das Parlament stützt sich darauf, dass es das letzte Entscheidungsrecht hat.

Kann man das dann runterbrechen auf die Frage: Mehr EU-Integration oder weniger?

Ich glaube, es ist eher die Frage, um welche Art von EU es geht. Ist es eine EU mit parlamentarischer Demokratie, wo die Macht vom Europäischen Parlament ausgeht? Oder ist es eine EU, die stärker von den nationalen Regierung geprägt wird, die hinter verschlossenen Türen ihre Abkommen schliessen?

Wäre Juncker ein starker und politischer Kommissionspräsident?

Ich erwarte, dass der Europäische Rat ihm relativ starke Auflagen geben würde, welches Programm er durchführen soll. Er würde immer auch ein Kommissionspräsident sein, der Diener zweier Herren ist: des Europäischen Parlaments und der Mitgliedsstaaten im Rat. Das macht es für ihn schwierig, eine eigene Agenda voranzutreiben.

Zur Person

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Nicolai von Ondarza beschäftigt sich mit der EU-Integration bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Seine Forschungsschwerpunkte sind Entscheidungsverfahren und Integration in der GASP/GSVP, Regieren in der Europäischen Union und die Institutionelle Weiterentwicklung der Europäischen Union.

Das heisst, am Ende werden sich alle Parteien und Institutionen zusammenraufen. Oder gibt es doch noch einen substanziellen Wandel?

Es gibt aktuell zwei Szenarien: Das der Einigung, in dem Juncker Kommissionspräsident wird und die Staats- und Regierungschefs ihm ein Programm auferlegen. Es gibt aber auch das Szenario der grossen verlängerten Machtprobe. In diesem Szenario entscheidet sich der Europäische Rat gegen Juncker und schlägt einen anderen Kandidaten vor. Wir erwarten dann, dass das Europäische Parlament diesen Kandidaten erstmal ablehnen würde und es einen Machtkampf zwischen den Institutionen gibt, der lange andauert.

Ist es am Ende nicht einfach so, dass Angela Merkel entscheidet?

Angela Merkel hat eine Schlüsselstellung im Europäischen Rat, weil sie einerseits die mächtigste Politikerin in der Europäischen Volkspartei ist, die Juncker nominiert hat. Ausserdem führt sie den Mitgliedsstaat an, der aufgrund der Eurokrise den meisten Einfluss auf die Staats- und Regierungschefs hat. Hinter Juncker stehen aber auch etwa 21 andere Staats- und Regierungschefs. Gegen das Parlament kann aber auch Merkel keinen Kandidaten zum Kommissionspräsidenten machen. Aber sie kann das Zünglein an der Waage sein.

Das Interview führte Peter Vögeli.

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