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Justizverfahren in Brasilien Tausende Bolsonaro-Anhänger in Rio de Janeiro auf der Strasse

  • Der ehemalige brasilianische Präsident Jair Bolsonaro hat bei einer Kundgebung am berühmten Copacabana-Strand in Rio de Janeiro vor Tausenden Anhängern «zur Verteidigung der Meinungsfreiheit» aufgerufen.
  • Die Veranstaltung fand am Sonntag inmitten der Auseinandersetzungen zwischen dem Tech-Milliardär Elon Musk und dem brasilianischen Richter Alexandre de Moraes vom Obersten Gerichtshof statt, dem Musk Zensur vorwirft.
  • Bolsonaro bezeichnete den Milliardär als «einen Mann, der den Mut hatte, zu zeigen, wohin unsere Demokratie führt».

Moraes führt in Brasilien mehrere Verfahren unter anderem gegen sogenannte digitale Milizen, die vor allem während der Amtszeit des rechten Präsidenten Jair Bolsonaro (2019–2022) in sozialen Netzwerken Falschinformationen und Hassreden verbreitet haben sollen.

Jair Bolsonaro trägt ein gelbes Brasilien-Shirt und sitzt auf dem Dach eines Autos, umringt von zahlreichen Anhängern.
Legende: Bolsonaro forderte in seiner Rede erneut eine Amnestie für seine Anhänger, die wegen des Angriffs auf das Regierungsviertel Anfang 2023 zu teilweise langen Haftstrafen verurteilt wurden. Reuters/Guilherme Casarões

Im Zuge der Ermittlungen ordnete Moraes die Schliessung mehrerer Konten von Verdächtigen auf Musks Kurznachrichtenplattform X, ehemals Twitter, an. Der Milliardär wiederum warf Moraes vor, die Verfassung und das brasilianische Volk zu verraten. Er drohte, gesperrte Konten zu reaktivieren und damit Gerichtsbeschlüsse zu missachten. Der brasilianische Richter leitete daraufhin ein Ermittlungsverfahren gegen den Geschäftsmann ein.

Mehrere Ermittlungen gegen Bolsonaro

Erst vor knapp zwei Monaten hatten Zehntausende Anhänger bei einer Kundgebung in der Millionenmetropole São Paulo gegen die strafrechtlichen Ermittlungen protestiert, die gegen den ehemaligen Staatschef laufen. Wegen seiner mutmasslichen Beteiligung an Umsturzplänen nach dem Wahlsieg des aktuellen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva, wegen Veruntreuung sowie der Fälschung von Covidimpfpässen wird derzeit gegen Bolsonaro ermittelt.

«Bolsonaro will Druck machen auf die Justiz»

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Hinter Bolsonaros Auftritten in den Strassen von brasilianischen Grossstädten stecke politisches Kalkül, sagt der Politologe Guilherme Casarões von der Getulio Vargas Stiftung, einer der ältesten Denkfabriken Brasiliens. «Der ehemalige Präsident weiss genau, dass die Strasse seine grösste Machtquelle ist. Und die bolsonaristische Bewegung ist eine, die ausserhalb von Institutionen entstanden ist», so Casarões.

Bolsonaros Art zu politisieren beruhe auf «der persönlichen Beziehung zwischen Bolsonaro und dem Volk», sagt der Politologe. In Zeiten, in denen Bolsonaro das Wasser rechtlich bis zum Hals stehe, sei diese Unterstützung umso wichtiger. Aufgrund eines Gerichtsurteils ist der ehemalige Präsident zudem bis 2030 von Wahlen und öffentlichen Ämtern ausgeschlossen.

«Mit diesen Grossdemonstrationen will Bolsonaro sich öffentliche Unterstützung sichern und Druck machen auf die Justiz. Es ist sogar möglich, dass hinter dieser Strategie auch der Versuch steckt, Druck auf die Wahlbehörden auszuüben, damit er 2026 doch kandidieren darf.» Bolsonaro stelle den Obersten Gerichtshof und Richter Moraes als verlängerten Arm der Lula-Regierung dar.

Er war in der Stichwahl um das Präsidentenamt im Oktober 2022 dem Linkspolitiker Lula unterlegen. Am 8. Januar 2023 hatten Anhänger des Ex-Militärs, die den Wahlsieg Lulas nicht anerkennen wollten, Kongress, Regierungssitz und Obersten Gerichtshof in Brasilia gestürmt und erhebliche Schäden verursacht.

Echo der Zeit, 21.04.2024, 18:00 Uhr ; 

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