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Kämpfe in der Südukraine Das ist zur Gegenoffensive in Cherson bekannt

Laut der Kiewer Regierung geht die ukrainische Armee in Cherson in die Offensive – auf eine «moderne Art».

Worum geht es? Seit Montag gibt es Meldungen, wonach die Ukraine im von Russland besetzten Gebiet um Cherson eine grosse Gegenoffensive gestartet habe. Es sei an der Zeit, abzuhauen, warnt der ukrainische Präsident Selenski die russischen Truppen in der Nähe der Stadt Cherson im Süden der Ukraine.

Was ist von diesen Meldungen zu halten? Vieles ist noch unklar. Bekannt ist jedoch, dass die Ukrainer den Beschuss russischer Stellungen seit Montag deutlich intensiviert haben. Sie beschiessen Kommandopunkte, Waffenlager und auch strategisch wichtige Infrastruktur, wie zum Beispiel Brücken. Zudem sollen die ukrainischen Truppen versucht haben, an mehreren Stellen die russischen Verteidigungslinien zu durchbrechen. Gelungen ist das offenbar nur in sehr beschränktem Ausmass. Die Rede ist von ein paar wenigen Dörfern, die möglicherweise befreit wurden. Das ist noch nicht unabhängig bestätigt.

Kann die Rede von einer Grossoffensive sein? Traditionell versteht man unter Grossoffensive, dass Truppen – Panzer und Infanterie – vorstossen und kompakt ein Gebiet erobern. «Die Ukrainer sagen aber nun, sie würden eine moderne, kluge Art der Offensive machen», erklärt Auslandredaktor David Nauer. Ein Regierungsvertreter in Kiew hat ihm das bereits vor einigen Wochen erklärt.

Wie sieht diese «moderne Art» der Offensive aus? «Sie sieht vor, dass man systematisch Kommandoposten und Nachschublinien der Russen zerstört. Die Ukrainer nutzen dafür moderne Artillerie, die sie vom Westen bekommen haben», sagt David Nauer. Damit soll der russischen Armee das Leben in der Region derart schwer gemacht werden, dass sie selbst abziehen müssen. Mit dieser Strategie hatten die Ukrainer zu Beginn des Krieges in Kiew bereits Erfolg.

Wie wichtig ist die Rückeroberung des Gebiets? «Es wäre zweifellos ein sehr wichtiger Erfolg», sagt der langjährige Russland-Korrespondent Nauer. Einerseits strategisch: «Weil dann auch Städte, die weiter westlich sind, zum Beispiel Mikolajiw und Odessa, vor weiteren russischen Angriffen geschützt wären.» Aber auch symbolisch und für die Moral der ukrainischen Truppen wäre die Befreiung Chersons sehr wichtig.

Ein ukrainischer Soldat steht bei einem Checkpoint in der Südukraine.
Legende: Viele Politiker, auch Präsident Selenski, zeigen sich sehr optimistisch. Sie reden weiderholt von der Rückeroberung aller besetzten Gebiete. «Das muss irgendwann geschehen. Sonst verpufft dieser Optimismus irgendwann», sagt David Nauer. imago images/Alex Chan

Wie stehen die Chancen der Befreiung der Region Cherson? Definitiv kann das niemand sagen. Laut Nauer haben die Ukrainer aber gewisse Chancen im Süden: «Denn die russischen Truppen auf der westlichen Seite des Flusses Dnipro stehen zum Teil und sie sind dort isoliert. Das heisst, die Ukrainer müssen da eigentlich bloss alle Brücken über diesen Fluss zerstören, was sie bereits sehr aktiv tun.» Als Folge könnte Moskau seine Soldaten nicht mehr versorgen. In der Ostukraine hingegen dürfte es mit dem militärischen Erfolg für die Ukrainer schwieriger werden.

Wie reagiert der Kreml? Die Ukraine fordert die russischen Truppen auf, aus der Region Cherson zu fliehen. Der Kreml lässt das abperlen. Der Sprecher von Präsident Wladimir Putin hat am Dienstag gesagt, die «spezielle Militäroperation» laufe nach Plan und man werde alle Ziele erreichen. «Das ist seit Monaten die offizielle russische Propagandaformel», so Nauer. Die offenkundigen Probleme der russischen Armee, so wie auch jetzt in Cherson, werden in Moskau schlicht geleugnet.

SRF 4 News, Rendez-vous, 30.08.2022, 12:30 Uhr ; 

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