Dutzende Pick-Ups rasen dicht hinter- und nebeneinander durch die jordanische Wüste von Wadi Rum: Sie verfolgen die Kamele, die auf der Rennbahn um den Sieg kämpfen. Ein Chor aus Hupen, Jubel und Schreien begleitet den Konvoi.
Immer im Herbst treffen sich die Beduinen, um ihre Kamele im Wettkampf gegeneinander antreten zu lassen. Ein Anlass, der auch internationales Publikum und Teilnehmer anlockt.
Roboter statt Kinder
Ibrahim Owaidah Al-Blewi ist mit seinen Kamelen eigens aus Saudi-Arabien angereist, um am Rennen teilzunehmen. „Das ist unser traditioneller Sport“, sagt er und fügt an: „Die Kamelrennen machen uns Araber stolz.“ Man glaubt es ihm aufs Wort.
Doch auch in der Wüste hält die Moderne Einzug: Auf den Rücken der Kamele sitzen bei den meisten Rennen keine Menschen mehr – sondern Roboter. Sie treiben die Tiere mit einer Peitsche an, ferngesteuert von den Kamel-Besitzern, die mit dem Auto während des Rennens neben den Kamelen her rasen. Der Umgang mit den Tieren ist nicht gerade zimperlich. Mittels Walkie-Talkies, die auf dem Rücken befestigt sind, rufen die Beduinen den Kamelen Anweisungen zu, damit sie schneller rennen.
Früher waren es Kinder, welche die Kamele reiten mussten – wegen ihres geringen Gewichts. Doch immer wieder kam es dabei zu schlimmen Unfällen. Deshalb wurden sie durch die Roboter-Reiter ersetzt.
Spezialnahrung für Rennkamele
Doch an einigen ausgewählten Rennen sitzen nach wie vor Menschen auf den Kamelen – allerdings Erwachsene: Der 18-jährige Salim Mohammad Al Zalabya tritt heute mit dem Kamel Shahin an. Vor dem Start befestigen Teammitglieder ein Funkgerät auf seiner Brust – damit sie während des Rennens mit ihm kommunizieren können. Nervös sei er nicht, sagt Salim. „Wenn Gott will, werde ich unter die ersten drei kommen.“
Wichtig für ein erfolgreiches Rennkamel ist nicht nur das Training, sondern auch die Fütterung. Neben Vitaminen geben die Züchter den Tieren Nahrung, die man so nicht einfach in der Wüste findet. „Wir geben ihnen spezielles Essen, etwa Heu“, erzählt Salims Onkel Sabah Mohammad Ali, während er bei den letzten Vorbereitungen hilft.
Dann geht es los. Rund ein Dutzend Kamele rasen los – und sofort setzt sich auch der Autokonvoi in Bewegung. Sechs Kilometer lang ist die Rennstrecke. Die vielen Autos wirbeln Unmengen von Wüstenstaub auf, die Sicht ist schlecht. In der Vergangenheit ist es deswegen auch schon zu Autounfällen gekommen.
Die Kamelrennen werden live im Fernsehen übertragen – inklusive arabischem Live-Kommentar ohne Punkt und Komma. Und auch ein Public Viewing gibt es in der Wüste: Beduinen in traditioneller Kleidung – mit langem Gewand und traditioneller Kopfbedeckung – schauen sich dort die Rennen an. Eine Männerwelt.
Wertvolle Rennkamele
Der 18-jährige Reiter Salim hat sein Kamel nach vorne gepeitscht. «Die Gruppe ist im Anmarsch», ruft der Kommentator ins Mikrofon, während sich die Kamele, der Auto-Konvoi und mit ihnen eine riesige Staubwolke dem Ziel nähern. Salim schafft es als Dritter über die Ziellinie. Damit gewinnen er und sein Team umgerechnet 800 Franken. Mehr als manch ein Monatslohn in Jordanien.
Die bestplatzierten Kamele werden nach den Rennen oft verkauft. Reiche Golfaraber blättern für ein erfolgreiches Rennkamel gerne bis zu 30'000 Franken hin – in der Hoffnung damit beim nächsten Rennen ganz an die Spitze zu kommen.