Weltweit sind mehr als 100 Impfstoff-Projekte in Arbeit. Knapp ein Dutzend gilt als erfolgversprechend. Experten gehen davon aus, dass es aber noch mindestens eineinhalb Jahre dauern wird, bis eines dieser Projekte als fertige Impfung auf den Markt kommt. Dennoch stellt sich bereits jetzt die Frage, wie die Impfung später weltweit gerecht verteilt werden kann.
Sobald die ersten Impfstoffe vorliegen, muss das geklärt sein. «Man spricht davon, zunächst alle Beschäftigten im Gesundheitssektor zu impfen», sagt etwa Ilona Kickbusch, Beraterin für Gesundheitspolitik. Oder bestimmte Bevölkerungsgruppen – ältere Personen, chronisch Kranke. Oder Menschen in Ländern und Gegenden, die besonders stark betroffen sind.
«Zunächst müssen wir aber darüber sprechen, wie viele Dosen Impfstoff wir überhaupt herstellen können», sagt Kickbusch, die einst auch für die WHO tätig war.
Vorteil für Länder, die produzieren
Einige Unternehmen, die an der Impfstoff-Entwicklung beteiligt sind, haben bereits Zahlen genannt: Der Schweizer Pharmazulieferer Lonza, der für die Corona-Impfung mit der US-Biotech-Firma Moderna zusammenarbeitet, spricht von einer Milliarde Dosen pro Jahr.
Länder, die Impfstoffe produzieren können, haben einen Vorteil, sagt Marcel Tanner, emeritierter Professor für Epidemiologie und Mitglied der bundesrätlichen Corona-Task-Force: «Wer aktiv beteiligt ist, ist auch beteiligt am Prozess der gerechten Verteilung und des prioritären Einsatzes eines Impfstoffes.»
Werden die USA zuerst beliefert?
Hier zeigen sich erste Grabenkämpfe: So sagte der Chef des Pharmakonzerns Sanofi letzte Woche, die USA würden wohl zuerst beliefert. Er bezog sich auf Verträge mit der Barda, einer Behörde des US-Gesundheitsministeriums, die das Impfstoff-Projekt mitfinanziert.
Die harschen Reaktionen aus der Politik zeigen: Alleingänge kommen in diesen Zeiten schlecht an. «Selbst wo solche Verträge bestehen, versucht man international zusammenzuarbeiten, damit niemand einen solchen Vorteil daraus zieht», sagt Kickbusch.
Ideal wäre, wenn die Produktionsstätten auf allen Kontinenten vorhanden wären, so die Fachfrau. Experten rechnen mit rund 20 Milliarden Franken, die für den Aufbau nötig wären. Finanzieren könnten das Staaten, Stiftungen und Unternehmen gemeinsam. Doch vieles hänge davon ab, welche Art von Impfstoff gefunden wird, betont Kickbusch: «Wenn ein Impfstoff nur bei -80 Grad sicher gelagert werden kann, kann es in Ländern mit einer weniger guten Infrastruktur zu Problemen kommen.»
Wer bezahlt wieviel?
Die Infrastruktur der Länder und die unterschiedlichen Gesundheitssysteme machen die Frage der Verteilgerechtigkeit schwierig. Denn: Wer bezahlt wieviel? Ilona Kickbusch sagt, die Pharmafirmen hätten aus ihren Fehlern der Vergangenheit gelernt. Als es erste Medikamente gegen Aids gab, waren diese für Entwicklungsländer zu teuer.
Seither gibt es variable Preismodelle, die nun auch bei Corona-Impfstoffen zum Einsatz kommen könnten. Dabei wird die Zahlungsfähigkeit eines Landes berücksichtigt. Epidemiologe Tanner sagt, dass solche Modelle für die Corona-Impfung angepasst werden könnten, «damit die vermögenderen Länder die ärmeren direkt unterstützen. Das ist internationale Partnerschaft».
Viele Experten bezeichnen den Willen zur Zusammenarbeit derzeit als historisch. Ob dieser Optimismus gerechtfertigt ist, wird sich erst zeigen.