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Kampf gegen Hundemafia Import-Welpen: Justiz ist machtlos – Gesetze verzögern sich

Während der Corona-Pandemie wurden viele Welpen in die Schweiz importiert, die hier schwer erkrankten. Politik und Justiz wollten gegen die Hundemafia im Ausland vorgehen. Zwei Jahre später zeigt sich: Die Justiz ist machtlos und neue Gesetze verzögern sich.

Das Gebell ist ohrenbetäubend, als slowakische Umweltpolizisten Anfang September eine Halle mit rund 40 Zwingern stürmen. Es findet eine Razzia am Geschäftssitz der Hundehandelsfirma Elitdog in Balon statt, eine Autostunde von der slowakischen Hauptstadt Bratislava entfernt.

Von Balon aus wurden in den vergangenen vier Jahren mehr als 800 Hunde in die Schweiz geliefert – auf Bestellung im Internet. Besonders viele Welpen wurden im Jahr 2021 während der Corona-Pandemie importiert. Damals explodierte die Nachfrage nach Haustieren. Im Zürcher Tierspital stammte jeder fünfte lebensgefährlich erkrankte Hund von Elitdog.

SRF DOK deckte Missstände auf – daran leiden die Hunde

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Elitdog mit Sitz in der Slowakei bietet mehrere Dutzend Hunderassen an, mit Lieferung bis zur Haustür für durchschnittlich 1300 Euro. Der Hundehandel ist vermutlich ein Millionengeschäft.

Das Unternehmen exportierte Welpen vor allem in die Schweiz und nach Österreich – die Firma nützte die schwachen Gesetze der beiden Länder aus. Unterdessen aber hat Österreich das Gesetz verschärft, nur die Schweiz lässt den Import von zu jungen und anfälligen Welpen immer noch zu. Die Welpen stammen zum Teil aus schlechten Zuchten und werden in Gruppen transportiert: Weil ihr Immunschutz noch schlecht ist, erkranken einige an Parvovirose, eine lebensgefährliche Virenkrankheit. Unbehandelt sterben die Welpen. Im Tierspital kostet die Behandlung rund 3000 Franken – also rund doppelt so viel als der angeblich günstig importierte Hund.

Der SRF DOK «Auf der Spur der Hundedealer» deckte im Oktober 2021 die Missstände der Firma Elitdog auf: Gefälschte Tierpässe, nicht gemachte Impfungen, lebensgefährlich erkrankte Hunde.

Bei der Razzia im September stossen die Ermittler auf Impfungen, leere Pässe und Antibiotika. Elitdog-Geschäftsführer R. T. ist aber kein Tierarzt. «Wir vermuten, dass er mit der regionalen Veterinärbehörde zusammenarbeitet», sagt Chefermittler Ondrej Koporec. Wegen des Verdachts auf Korruption hätten die Ermittlungen drei Jahre gedauert und sich schwierig gestaltet.

Die Veterinärbehörde in Bratislava schreibt: «Solange die Ermittlungen laufen, darf Elitdog keine Hunde transportieren.» Die Firmenwebsite ist jedoch weiterhin aufgeschaltet, und Elitdog bestätigt am Telefon, dass der gewünschte Hund innert Wochenfrist geliefert werden könne.

Ermittlungen stocken

Derweil scheinen die Ermittlungen in der Schweiz nicht voranzukommen: Im September 2021 war bei der Staatsanwaltschaft St. Gallen eine Strafanzeige gegen Elitdog eingegangen. Tatbestand: Urkundenfälschung und Widerhandlung gegen das Tierseuchen- und Tierschutzgesetz.

Die Kantonstierärzte hatten über 350 Fälle von Unregelmässigkeiten, wie gefälschten Pässen und nicht vorhandenen Tollwutimpfungen, gesammelt und via Bundesamt für Veterinärwesen (BLV) Anzeige gegen Elitdog eingereicht. Mehr als zwei Jahre später ist der Fall weiter pendent. Keine Auskunft, heisst es bei der St. Galler Staatsanwaltschaft.

Ein Hundewelpe trinkt Wasser in einem Käfig
Legende: Hunde aus dem Internet: Mehr als 800 Hunde lieferte Elitdog in den vergangenen vier Jahren von Balon aus in die Schweiz. SRF

Gesprächiger ist der Chefermittler der Umweltpolizei in der Slowakei: Man habe mehrere Gespräche mit den Schweizer Strafverfolgern geführt und warte auf die Übergabe der Akten. Warum das zwei Jahre dauere, wisse er nicht, sagt Ondrej Koporec. «Die Akten müssen noch auf Slowakisch übersetzt werden.»

Politikerin setzt sich ein

Schon vor zwei Jahren versprach der Leiter der slowakischen Veterinärbehörde, Elitdog zu schliessen, wenn er die gesammelten Beweise aus der Schweiz bekäme. Warum also hat das BLV die 350 Fälle nicht längst übermittelt? «Der Datenschutz steht über dem Tierschutz», sagte Liv Sigg, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Bundesamt für Veterinärwesen, damals in einem DOK-Film. Für das Aushändigen von Beweismaterial auf dem Amtsweg brauche es eine Gesetzesänderung.

Der Film rief SP-Nationalrätin und Tierschützerin Martina Munz auf den Plan. Ihr Vorstoss, der den Datenaustausch mit dem Ausland bei strafrechtlich relevanten Hundeimporten ermöglichen will, wurde angenommen. Aber auch zwei Jahre später ist unklar, wann er umgesetzt wird: Für die Änderung des Tierschutzgesetzes gäbe es noch keinen Zeitplan, schreibt das BLV.

Auch zweiter Vorstoss kommt nicht voran

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«Die Mühlen in Bern mahlen langsam», sagt SP-Nationalrätin und Tierschützerin Martina Munz. Das zeigt sich auch bei einem zweiten Vorstoss, mit dem sie der ausländischen Hundemafia das Handwerk legen wollte.

Im Frühling 2021 verlangte die Parlamentarierin, dass das Mindestalter von Importwelpen wie in der EU auf 15 Wochen erhöht werde. Die Schweiz macht sich nämlich mitschuldig, wenn importierte Welpen erkranken. Die heutige Regelung, dass Welpen mit acht Wochen die Schweiz bestellt werden dürfen, ist heikel. Der Immunschutz der Welpen ist noch schlecht, die Gefahr einer Erkrankung auf dem Transport mit mehreren Tieren gross. Mindestens zwei Elitdog-Welpen sind nach der Ankunft in der Schweiz gestorben.

Gilt unterdessen wenigstens das höhere Welpenalter (siehe Box)? Nein, sagt Munz. Voraussichtlich 2025, schreibt das BLV. Also rund vier Jahre, nachdem ihr Vorstoss angenommen wurde.

«Die Anhörung der betroffenen Kreise hat Zeit in Anspruch genommen», heisst es beim BLV. Wenig Verständnis hat Staatsrechtler Markus Schefer: «Vier Jahre für eine doch recht überschaubare Materie sind sehr lang».

10vor10, 30.10.2023, 21:50 Uhr

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