Erstmals standen sich in Deutschland die zwei Kanzlerkandidaten und die -kandidatin im Fernsehen gegenüber: Armin Laschet von der CDU, Olaf Scholz von der SPD und die Grüne Annalena Baerbock. Frank Brettschneider ist Kommunikationswissenschaftler und Politologe und untersucht die Wahrnehmung und Wirkung von TV-Debatten. Er schaut dabei auf die rhetorische Strategie der Kandidatinnen und Kandidaten.
SRF News: Was ist Ihnen von den Auftritten der drei Personen geblieben?
Frank Brettschneider: Das erwartbare rhetorische Vorgehen. Herr Scholz führt ja in Umfragen. Er konnte eigentlich ganz gut abwarten, während Frau Baerbock und Herr Laschet in der Defensive sind. Sie müssen schauen, dass sie aus ihrem Tief wieder herauskommen.
Scholz konnte sich das in aller Ruhe anschauen.
Dementsprechend waren sie dann auch angriffslustiger und haben versucht, die Unterschiede zum jeweils anderen Kandidaten oder der Kandidatin deutlich zu machen. Sie waren tatsächlich aktiver im Sinne von Kritik. Scholz konnte sich das in aller Ruhe anschauen.
Hat man auch an der Sprechgeschwindigkeit oder der Lautstärke gemerkt, wie die Kandidatin und die Kandidaten sich verhalten haben?
Ja. Scholz ist nicht bekannt dafür, dass er der Schnellste ist oder der Dynamischste und Aktivste in Diskussionen. Das hat man schon gesehen. Damit transportiert er zweierlei. Einige sagen, er sei ein bisschen langweilig. Aber auf andere wirkt das solide, unaufgeregt. Dieses Zurückhaltende wird also auch als kompetent wahrgenommen.
Das zeigt auch die Umfrage: Nach dem TV-Gespräch wurden 2500 Menschen repräsentativ ausgewählt und befragt. Dabei schnitt Scholz mit 36 Prozent am besten ab. Dann kam Baerbock mit 30 und Laschet mit 25 Prozent.
Bei den letzten Bundestagswahlen waren es zwei Kandidierende, die gegeneinander antraten. Diesmal sind es drei. Hat das die Dynamik der Debatte verändert?
Ja, das war sehr deutlich. Einerseits ist es schwerer für die Moderatorin oder den Moderator, zu schauen, dass jeder und jede gleich grosse Redeanteile hat. Das ist gestern sehr gut gelungen. Aber vor allem hat man gemerkt, dass es immer wieder wechselnde Koalitionen gegeben hat. Mal hat Baerbock beide angegriffen und gesagt: ‹Das hier sind die Repräsentanten der amtierenden Grossen Koalition. Und wir, die Grünen, wollen das anders machen. Es geht um einen Wandel. Dafür stehe ich.›
Es gab durchaus immer wieder mal Schulterschlüsse, aber auch Abgrenzungen. Das hat es vergleichsweise lebendig gemacht.
Dann gab es aber auch Situationen, in denen Baerbock und Scholz auf einer Seite standen. Etwa, als es um den Klimawandel ging. Laschet stand alleine auf der anderen. Er versuchte dann, Rot-Rot-Grün anzugreifen und zu sagen, es werde zum Problem, wenn die miteinander regieren. Es gab also durchaus immer wieder mal Schulterschlüsse, aber auch Abgrenzungen. Das hat es vergleichsweise lebendig gemacht.
Wie wichtig sind diese Debatten für die Kandidatinnen und Kandidaten?
Sie werden oft überschätzt, aber unwichtig sind sie trotzdem nicht. Zunächst dienen sie dazu, die eigenen Anhängerinnen und Anhänger zu mobilisieren. Das ist ein ganz entscheidender Punkt. Der gelingt auch meistens. Diejenigen, die SPD-Anhänger sind, finden Scholz am besten, egal, was er sagt. Die Grünen-Anhänger finden Baerbock am besten.
Im Wesentlichen ist es der Versuch, keinen grossen Fehler zu machen und damit Wählerinnen und Wähler zu verschrecken.
Es geht auch um die unentschiedenen Wählerinnen und Wähler. Die kann man zu überzeugen versuchen. Dazu muss man aber deutlich besser auftreten als die anderen. Im Wesentlichen ist es der Versuch, keinen grossen Fehler zu machen und damit Wähler zu verschrecken.
Das Gespräch führte Susanne Stöckl.