Zum ersten Mal in diesem Bundestagswahlkampf traten Armin Laschet (CDU), Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und Annalena Baerbock (Grüne) im Kampf um das Kanzleramt im deutschen Fernsehen gegeneinander an.
Viel hat sich dabei nicht verändert. Niemand konnte einen wirklichen Treffer landen. Armin Laschet musste attackieren, weil seine Beliebtheitswerte im Keller sind und die Union in Umfragen erstmals hinter der SPD liegt. Das tat er auch, aber nur anfänglich überzeugend.
Baerbock hatte nichts mehr zu verlieren
Annalena Baerbock dagegen hatte nichts mehr verlieren, denn sie hat das Rennen um das Kanzleramt wohl bereits verloren. Doch je länger der Abend dauerte, desto mehr wurde jene Baerbock sichtbar, welche die Kanzlerkandidatur ihrer Partei in nur zwei Jahren im Sturm erobert hatte: die detailsichere Baerbock.
Die drei Kontrahenten verloren sich in dieser Debatte meist in Kleingedrucktem. Eine grosse Überschrift über ihrer Kandidatur wurde nicht sichtbar. Das half Baerbock. Sie kannte ihre Zahlen, zeigte etwas vom früheren Kampfesmut, und ihre grüne Logik war in sich stringent. Also war sie die eigentliche Siegerin nach Punkten. Nur ist es ein Sieg ohne Bedeutung.
Bloss keine Fehler machen
Olaf Scholz war im Grunde in der bequemsten Position. Die SPD führt in einigen Umfragen völlig überraschend. Seine persönlichen Beliebtheitswerte liegen zudem weit vor denen der Konkurrenz.
Scholz musste also bloss keinen Fehler machen. Das gelang ihm auch, und dennoch war das ein Fehler. Er blieb seinem Renommee als «Scholzomat» treu und rasselte ungerührt wie ein Automat Positionen und Zahlen herunter. Er war wie immer, aber die anderen waren eben anders. Und deswegen fiel Scholz ab.
Nach dem Spiel ist vor dem Spiel
Am grossen Bild ändert das alles jedoch wenig, und dieses Bild ist paradox. Die SPD liegt nämlich in den Umfragen in Führung, obwohl es keinen sachlichen Grund für ihren überraschenden Aufschwung gibt.
Allerdings war es bislang ein Erfahrungswert, dass sich das Bild wenige Wochen vor der Wahl eintrübt und die Parteien in Umfragen näher aneinanderrücken. Diese Phase ist in der Regel der entscheidende Moment der Meinungsbildung. Die Wählerinnen und Wähler testen Meinungen und verwerfen diese wieder. Oft wurden dann aber am Wahltag die alten Relationen und Abstände bestätigt.
Wenn das auch 2021 noch gilt, wäre die SPD im Moment zu hoch bewertet. Ob dieser Erfahrungswert aus früheren Wahlen noch gilt, ist jedoch nicht sicher. Auch in Deutschland neigt sich die Ära der Volksparteien dem Ende zu. Wie in vielen westeuropäischen Ländern weist der Trend hier ebenfalls in die Richtung von Mehrparteienkoalitionen mehrerer ungefähr gleich starker Parteien.