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Kim gesteht Probleme ein Nordkorea braucht offenbar Nahrungsmittelhilfe

Viel weiss man nicht – doch Soldaten helfen auf den Feldern und Diktator Kim Jong-un hat dazu aufgerufen, den Gürtel enger zu schnallen.

Darum geht es: In Nordkorea scheinen den Menschen die Nahrungsmittel auszugehen. Verschiedene Berichte liegen vor, die von einer bereits bestehenden oder drohenden Hungersnot sprechen. Entscheidend wird sein, wie die diesjährige Ernte ausfällt. Die UNO schätzt, dass Nordkorea jetzt Lebensmittel für mindestens zwei bis drei Monate fehlen. Machthaber Kim Jong-un schickt die Armee in die Felder, um bei der Reis- und Maisernte zu helfen.

Hungersnöte sind schon fast ein chronisches Problem in Nordkorea.
Autor: Rüdiger Frank Professor an der Uni Wien, Leiter Abt. für ostasiatische Studien

Das sind die Gründe: «Hungersnöte sind schon fast ein chronisches Problem in Nordkorea», sagt der Nordkorea-Kenner Rüdiger Frank von der Universität Wien. Verschärft habe sich das Problem durch den Wegfall von Nordkoreas Handelspartnern Anfang der 1990er-Jahren im Zuge des Zusammenbruchs der kommunistischen Länder und dem Wegfall von billigen Öllieferungen. Hinzu komme das Wetter, welches den Ausschlag für einen Nahrungsmittelmangel geben könne. Zwar habe es seit längerem keine massive Hungersnot in Nordkorea mehr gegeben, so Frank. «Doch es gibt dort eine mehr oder weniger chronische Mangelversorgung.»

So dramatisch ist die Lage: Einen genauen Einblick in das abgeschottete Land zu erhalten, sei schwierig, sagt Frank. Durch die Pandemielage sei Nordkorea noch mehr isoliert als zu normalen Zeiten, Diplomaten würden das Land verlassen und kehrten nicht zurück. «Wir haben so gut wie niemanden, der uns berichten kann, wie die Lage wirklich ist.» Deshalb sei man noch mehr als sonst auf Gerüchte angewiesen. Fakt aber sei, dass der Herbst meist nicht die Zeit von Hungersnöten sei, weil die Ernte da gerade eingefahren wurde. Grösser sei die Gefahr im Frühling bis in den Frühsommer, bevor nach dem oft strengen Winter neue Nahrungsmittel geerntet werden können.

Kim an einem Rednerpult.
Legende: Diktator Kim Jong-un hat eingestanden, dass die Nahrungsmittel knapp sind und die Soldaten zur Ernte auf die Felder geschickt. Reuters

Deshalb das Signal nach innen und aussen: Diktator Kim hat die angespannte Ernährungslage eingestanden und das Volk dazu aufgerufen, den Gürtel enger zu schnallen – etwas, was er auch früher schon gemacht habe, so Frank. «Kim will damit seinem Volk zeigen, dass er die Probleme erkenne und es dazu auffordern, durchzuhalten.» Zudem sende er so ein Signal an die internationale Gemeinschaft: Gerade erst haben China und Russland im UNO-Sicherheitsrat eine teilweise Aufhebung der internationalen Sanktionen wegen des nordkoreanischen Atomprogramms verlangt. «Es könnte sich also durchaus um eine konzertierte Aktion handeln», glaubt Frank.

Kim gibt dem Volk zu verstehen, dass er sich um das Problem kümmert.
Autor: Rüdiger Frank Professor an der Uni Wien, Leiter Abt. für ostasiatische Studien

Darum sitzt Kim fest im Sattel: Die Nahrungskrise schwäche die Position Kims nicht, so der Nordkorea-Kenner Frank. «Er macht sich sozusagen zu einem Teil der Lösung, indem er dem Volk zu verstehen gibt, dass er sich darum kümmert.» Ausserdem kämen Nahrungsmittelknappheiten in Nordkorea immer wieder vor. Allerdings: «Noch Anfang 1989 schätzte man die Lage in der DDR als stabil ein – weniger als ein Jahr später war die Mauer weg.» Im Übrigen stünden die Menschen in Nordkorea – gemäss Franks Erfahrungen aus früheren Reisen – hinter der Haltung des Regimes: Es nütze nichts, genug zu essen zu haben und dafür die Unabhängigkeit zu verlieren. Entsprechend gebe es auch Unterstützung fürs Atom- und Raketenprogramm.

Rendez-vous, 05.11.2021, 12:30 Uhr ; 

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