Nubia Gaona und ihre zwei Söhne positionieren sich vor der Kamera, rufen Hündin Luna dazu. Heute wollen sie Luna ihren Youtube-Followern vorstellen – es sind längst über 550'000.
Meine Kinder wollten, dass niemand hungrig schlafen gehen muss, auch nicht in Zeiten der Pandemie.
Vor der Corona-Pandemie hatte Nubia noch nie von Youtube gehört. Die Idee, Videos hochzuladen, kam von ihrem 14-jährigen Sohn David. «Es ging uns nicht darum, berühmt zu werden», erklärt die 38-jährige Witwe.nicht in Zeiten der Pandemie. Denn wir können doch alle selbst unsere Lebensmittel anpflanzen – aber, viele wissen nicht wie.» In ihren Videos geben die Gaonas deshalb Tipps für Hobby-Gärtner oder zeigen den Alltag auf dem Land, im Dorf Chipaque, anderthalb Autostunden von der Hauptstadt Bogotá entfernt.
Das erste Video, dass die Familie Ende April hochlud, wurde inzwischen 1,3 Millionen Mal aufgerufen. Damit schafften Nubia und ihre Söhne nicht nur Aufmerksamkeit für sich selbst: Millionen von Kleinbauern in Kolumbien haben es in der Corona-Krise noch schwerer als ohnehin schon, ihre Produkte zu verkaufen.
Es ist schwierig, mitten in der Pandemie Erntehelfer zu finden. Der Transport der Ware zu den Märkten ist ohnehin teuer, nun noch mehr. Allen voran verdienen die Zwischenhändler. Dazu kommt: In der Krise fallen viele Abnehmer aus, etwa, weil Restaurants geschlossen sind. Der Staat wiederum kauft für Lebensmittelhilfen bei Grossproduzenten ein, die Kleinen, die in vielen Fällen nicht wissen, wovon sie die Pacht fürs Land bezahlen sollen, gehen meist leer aus.
«Seltener als ein Lottogewinn»
Statt Kartoffeln vertreiben die Gaonas nun Gärtnerei-Sets mit Pflanzensamen, damit auch Städter auf dem Fenstersims anpflanzen können: Koreander, Brokkoli, Zwiebeln, Blattsalat, Peperoni. Beim Ausliefern der Kisten und auch beim Filmen und Hochladen der Videos helfen ihnen Sigifredo Moreno und seine Frau Juliana Zapata, die ein Grundstück in der Nähe haben, aber in der Hauptstadt Bogotá wohnen.
«Was mit dem ersten Video passiert ist, ist vielleicht seltener als ein Lottogewinn», sagt Moreno. «Es ging gleich am ersten Tag durch die Decke und die Leute begannen, die Anpflanz-Sets zu bestellen.» Die Familie hatte gehofft, ein paar Dutzend Gärtnerei-Sets zu verkaufen – doch längst sind es mehr als 2000.
Mutter Nubia zeigt, was sie mit dem Erlös der Gärtnerei-Kisten bereits kaufen konnte: Ein richtiges Bett, eine Matratze, einen Schrank. Die Kinder haben nun einen Laptop, mit dem sie auch in Quarantäne-Zeiten dem Unterricht folgen können – wenn denn das mobile Internet funktioniert. Bis vor kurzem hatte die Familie nicht mal elektrisches Licht. Doch kaum waren die Gaonas ein Social-Media-Phänomen, wurden sie an das Stromnetz angeschlossen. Fans aus dem Ausland bieten virtuellen Englischunterricht an. Ein Gummistiefel-Hersteller schickte Stiefel.
Chance auf ein besseres Leben
Nubia und ihre Kinder wiederum haben in der Zwischenzeit mehr als Hundert Essensrationen für Bewohner von Armenvierteln in der Hauptstadt gepackt. Sigifredo Moreno hat sie dort verteilt.
Wie viel Geld sie mit den Youtube-Videos verdient haben, weiss Nubia nicht: «Darum kümmern wir uns nach der Pandemie. Im Moment ist es sowieso schwierig, in die Stadt zu kommen und die Banken haben nicht immer auf.»
Die Familie träumt davon, via Youtube auch andere Kleinbauern bekannt zu machen, damit auch diese eine Chance auf ein besseres Leben bekommen. Und sie wollen selbst genug Geld zu verdienen, für ein eigenes Stück Land.