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Klimafreundliche Investitionen Frankreich und Deutschland haben erfolgreich lobbyiert

Die Europäische Kommission bleibt dabei: Atomenergie und fossiles Erdgas sollen, unter gewissen Bedingungen, in die EU-Taxonomie aufgenommen werden. Sie bleibt dabei, obwohl es in den letzten Wochen von verschiedensten Seiten heftigste Kritik an diesen Plänen gab. Überraschend ist es allerdings nicht, dass beide Energiequellen ihren Weg in die Taxonomie gefunden haben. In Brüssel wurde stark dafür lobbyiert.

Abhängigkeit von Atomenergie und Erdgas

Schaut man sich die klimapolitischen Pläne der Europäischen Union an, ist die EU für eine Übergangszeit auf fossiles Erdgas und Kernenergie angewiesen. Bis zum Jahr 2030 soll es 55 Prozent weniger CO2-Emissionen, im Vergleich zum Jahr 1990, geben und bis zum Jahr 2050 soll Europa der erste klimaneutrale Kontinent sein. Windanlagen oder Solarpanels liefern zurzeit noch zu wenig erneuerbare Energie, um ganz auf nicht erneuerbare Energiequellen zu verzichten. Ob Kernkraft und fossiles Erdgas darum aber auch in die Taxonomie aufgenommen werden müssen, ist eine andere Frage.

Weder Atomenergie noch fossiles Erdgas gelten als nachhaltig und trotzdem stuft die EU-Kommission diese beiden Energiequellen in der Taxonomie so ein. Sie erhalten also einen «grünen Stempel», der höchst umstritten ist. Hätte die EU-Kommission aber weder Erdgas noch Atomenergie in die Taxonomie aufgenommen, hätte dies Folgen für den Anlagemarkt. Es würden wohl weniger Gelder in den Bau von Atom- oder Gaskraftwerken fliessen. Auf genau diese Gelder sind aber jene Mitgliedstaaten angewiesen, die von diesen Technologien abhängig sind. Gerade der französische Präsident Macron soll in Brüssel dafür lobbyiert haben, dass Atomenergie als nachhaltig eingestuft wird.

Frankreich setzt auf Atomstrom

Das wirtschaftliche Interesse liegt auf der Hand; Frankreich hat über 50 Atomkraftwerke, weitere sollen dazu kommen. Aber beispielsweise auch Polen ist auf Investitionen in Atomkraftwerke angewiesen, um die Klimawende zu schaffen. In der grössten Volkswirtschaft der EU, in Deutschland, schaut man zwar kritisch auf die Atomenergie, kritisiert diesbezüglich auch den Vorschlag der EU-Kommission, gibt sich aber zufrieden damit, dass fossiles Erdgas in der Taxonomie vorkommt. Die beiden grössten Mitgliedstaaten konnten sich in Brüssel mit ihren Interessen durchsetzen.

Die Finanzmärkte werden über den Erfolg entscheiden

Der sogenannte Rechtsakt der EU-Kommission könnte durch die Mitgliedstaaten oder durch das Parlament noch gestoppt werden. Es gibt gerade im Europäischen Parlament zum jetzigen Zeitpunkt noch viel Widerstand gegen die EU-Taxonomie. Es gilt aber als unwahrscheinlich, dass sich eine Mehrheit gegen die Taxonomie-Verordnung finden lässt.

Es werden wohl die Finanzmärkte sein, die, unabhängig von Brüssel, zeigen werden, ob sich das Lobbying für die betroffenen Mitgliedstaaten gelohnt hat oder ob die Taxonomie als zu wenig überzeugend eingestuft wird.

Michael Rauchenstein

SRF-Korrespondent TV in Brüssel

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Während seines Studiums der Politikwissenschaft an der FU Berlin arbeitete Michael Rauchenstein zweieinhalb Jahre als freier Redaktor für SRF in Berlin. Nach einem Jahr in der Auslandredaktion (und bei der Arena) in Zürich ist er seit März 2020 TV-Korrespondent in Brüssel.

Tagesschau am Mittag 2.2.2022

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