Zum Inhalt springen

Umstrittene EU-Klimapläne EU-Kommission stuft Gas- und Atomkraft als nachhaltig ein

  • Seit Monaten diskutiert die EU darüber, welche Energieformen als nachhaltig gelten sollen, um ein klimaneutrales Europa bis 2050 zu schaffen.
  • Am Mittwoch hat die Europäische Kommission trotz massiver Kritik einen entsprechenden Rechtsakt angenommen.
  • Die Kommission bleibt sogar hinter einem ursprünglichen Entwurf und lockert die Auflagen für Gaskraftwerke.

Der Rechtsakt sieht vor, dass Investitionen in neue Gaskraftwerke bis 2030 als nachhaltig gelten, wenn sie unter anderem schmutzigere Kraftwerke ersetzen und bis 2035 mit klimafreundlicheren Gasen, wie Wasserstoff, betrieben werden. Im ursprünglichen Entwurf war die Beimischung von klimafreundlichen Gasen schon ab 2026 vorgeschrieben.

Das bedeutet, dass Gaskraftwerke nun unter Umständen länger höhere Anteile an verschmutzendem Erdgas nutzen können. Neue Atomkraftwerke sollen bis 2045 als nachhaltig klassifiziert werden, wenn ein konkreter Plan für die Endlagerung radioaktiver Abfälle ab spätestens 2050 vorliegt.

Hintergrund der Nachhaltigkeit-Einstufung von bestimmten Gas- und Atomprojekten ist die sogenannte Taxonomie der EU. Sie soll Bürger und Anleger dazu bringen, in klimafreundliche Technologien zu investieren, um die Klimaziele der EU zu erreichen.

Kritik gegen nachhaltige Einstufung von Gas

Die Pläne der Kommission wurden im Vorfeld stark kritisiert. Österreich und Luxemburg haben angekündigt, dagegen zu klagen. Auch Spanien, Dänemark, die Niederlande und Schweden lehnten eine nachhaltige Einstufung von Gas ab, hiess es Anfang der Woche in einem Brief an die Kommission. EU-Abgeordnete, Umweltschützer und Wissenschaftler haben mehrmals auf die klimaschädlichen CO2-Emissionen von Gas und die ungelöste Frage des radioaktiven Abfalls bei der Atomkraft hingewiesen. Auch grosse Anleger wie die Europäische Investmentbank und die Investorengruppe IIGCC äusserten sich kritisch.

SRF-Korrespondent Rauchenstein: «Gesetz dürfte sich durchsetzen»

Box aufklappen Box zuklappen

«Ohne Atom und fossiles Erdgas wird es in nächster Zeit noch nicht gehen», sagt der SRF-Korrespondent in Brüssel, Michael Rauchenstein. Die EU habe sich grosse Ziele gesteckt – denn bis 2050 möchte man klimaneutral sein. «Allerdings gibt es noch zu wenig Strom aus erneuerbaren Energien wie Wind oder Sonne.» Deutschland möchte aus der Kernkraft aussteigen, sei jedoch in den nächsten Jahren noch auf Erdgas angewiesen.

Zum jetzigen Zeitpunkt gebe es sehr viel Kritik, gerade aus der linken und grünen Ecke, betont Rauchenstein. In den kommenden Monaten werde es deshalb noch viele Diskussionen geben. «Am Ende glaube ich aber, dass sich dieses Gesetz der EU-Kommission durchsetzen wird, weil viele mit diesem Kompromiss leben können», ordnet Rauchenstein ein.

Nachdem die Kommission den Vorschlag offiziell angenommen hat, kann er nur noch durch eine Mehrheit im EU-Parlament oder mindestens 20 EU-Länder abgelehnt werden. Ansonsten tritt er automatisch in Kraft. Bislang gilt eine Ablehnung als unwahrscheinlich.

Tagesschau, 02.02.2022, 12:45 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel