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Klimaschutz in Europa EU-Länder nehmen Klimaschutz ernster als das Parlament

Die Energie- und Umweltminister der Europäischen Union haben viele Beobachterinnen und Beobachter in der Klimapolitik positiv überrascht. Sie nehmen den Klimaschutz ernster als das Europäische Parlament. Und die EU-Mitgliedsstaaten setzen bei diesem selbst-auferlegten Anspruch auf mehr Klimaschutz eher auf marktwirtschaftliche Instrumente als auf staatliche Bevormundung.

In der Öffentlichkeit wird gefeiert, dass die 27 EU-Staaten vom Versprechen nicht abrücken wollten, Autos und kleine Lieferwagen, die mit Benzin oder Diesel fahren, auf den Schrottplatz zu lenken. Wer ab 2035 einen neuen Wagen kauft, wird für teures Geld ein Elektroauto kaufen müssen. Gut so, wer den Klimaschutz ernst nimmt.

Die wichtigen Kompromisse

Die fetten Lettern im Titel von Medienberichten lenken aber von der Sache ab. Viel entscheidender für den Klimaschutz waren andere Kompromisse im Rat der EU-Länder. Das absehbare Ende des Benzinautos ab 2035 war nämlich völlig unbestritten. Heiss umkämpft war die Reform des Emissions-Handelssystems der EU. Und da zeigte sich die politisch neu aufgestellte deutsche Regierung als treibende Kraft in der EU.

ETS Version 2.0 wird nämlich ausgeweitet und schliesst künftig den Verkehr und die Treibhausgas-Emissionen von Gebäuden mit ein. ETS Version 1.0 zeigte, dass das nur dort funktioniert, wo es teuer wird, wenn Worten nicht auch Taten folgen. Unternehmen haben mit Blick auf ihre Aktionäre wenig Freude an staatlichen Zwangsmassnahmen, die höhere Investitionen fordern, deren Renditen das Gemeinwohl einstreichen können, nicht die Anteilseignerinnen. Intelligente, marktwirtschaftlich orientierte Klimapolitik verlangt aber genau das.

Also reduzieren in den Sektoren, die von ETS Version 1.0 erfasst wurden, Unternehmen ihre CO₂-Emissionen. Die Automobilbranche gab Gegensteuer und fuhr in eine Sackgasse, verkaufte immer bulligere Wagen mit höheren Emissionen. Richtig, wenn die EU-Staaten den Verkehr nun ETS 2.0 unterstellen.

Verstörende Entscheidung

Das provoziert steigende Transportkosten. Auch Billig-Vielflieger ärgert das – Umdenken ist hoffentlich die Folge. Gleiches gilt für den Gebäudesektor. Verstörend, dass das EU-Parlament, diesen Weg nicht gehen wollte. Die nun folgenden Kompromiss-Verhandlungen erlauben Nachbesserung. Verstörend auch, dass das EU-Parlament, soziale Ausgleichsmassnahmen beschloss, ohne dafür zu sorgen, dass sie bezahlbar bleiben. Auch da haben die EU-Staaten glücklicherweise korrigierend eingegriffen. Die deutsche Regierung, wo liberal denkende Grüne federführend sind im Dossier, haben zahlreiche andere EU-Staaten mit guten Argumenten überzeugen können.

Der Klimafonds steht jetzt dank ETS 2.0 auf einem solideren finanziellen Fundament. Dieser hilft einkommensschwachen Bevölkerungsteilen in wirtschaftlich labileren Ländern, wegen der absehbar steigenden Energiekosten den Umstieg auf alternative Heizsystem und Solarstrom zu beschleunigen.

In ein paar Wochen werden wir erkennen können, ob die EU-Staaten und das EU-Parlament einen gemeinsamen Nenner finden in der Klimapolitik. Wenn das gelingt, ist es ein historischer Moment. Dann sollten alle wieder auf die jugendlichen Klimaaktivisten hören. Denn die selbst auferlegten Versprechen im Pariser Klimaabkommen bleiben unerfüllt. Das alles reicht noch nicht, die Erderwärmung auf ein für das Gemeinwohl erträgliches Mass zu reduzieren. Hierfür wäre noch einmal ein Sondereffort nötig.

Charles Liebherr

EU-Korrespondent

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Charles Liebherr ist EU-Korrespondent von Radio SRF. Davor war er unter anderem in der SRF-Wirtschaftsredaktion tätig, später war er Frankreich-Korrespondent. Liebherr studierte in Basel und Lausanne Geschichte, deutsche Literatur- und Sprachwissenschaft sowie Politologie.

SRF 4 News, 27.06.2022, 18:00 Uhr

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