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Knuffiger Problembär In Berlin sind die Waschbären los

Waschbären in der Grossstadt können eine Plage sein. Ein vielversprechendes Projekt zur Eindämmung der invasiven Art in Berlin wurde jedoch abgelehnt.

Sie sind so unglaublich süss. Kleine Knopfaugen, schwarze Zorro-Maske, buschiger Ringelschwanz. Wenn Waschbären aber den Garten umpflügen, die Obstbäume kahlfressen, sich jede Nacht mit Geschepper über die Mülltonnen hermachen oder gleich als Untermieter im Dachboden einziehen und zwecks Nestbaus die Wärmedämmung rausrupfen, dann findet man sie nicht mehr so putzig.

Da im grünen Berlin Wildnis und Siedlungsgebiete fliessend ineinander übergehen, rückt der opportunistische Allesfresser dem Menschen immer mehr auf die Pelle. Wie viele Waschbären sich in der deutschen Hauptstadt tummeln, kann aber niemand so genau sagen.

Waschbär klettert nachts auf Baum vor Ziegelwand.
Legende: In Berlin sind die Grenzen zwischen Wald und Siedlungsgebieten fliessend. Kein offenstehendes Fenster, keine Mülltonne ist vor dem Waschbären sicher. SRF

Für den Wildtierbeauftragten der Berliner Senatsverwaltung ist die Zahl der Beschwerden ein guter Indikator.

Mann mit Kappe im Wald stehend.
Legende: «Keiner weiss ganz genau, wie viele Waschbären es in Berlin gibt», sagt der Wildbeauftragte Berlins, Dirk Ehlert. SRF

Erhielt er vor 25 Jahren noch ein, zwei Anrufe im Jahr, sind es heute zwischen fünf und zehn – pro Tag. Bei der Hotline des Vereins «Hauptsache Waschbär» wurden auch schon 1000 Anrufe in einem einzigen Monat gezählt.

Ausgesetzt oder ausgebüxt

Dass sich die aus Nordamerika stammenden Waschbären besonders in Berlin-Brandenburg und in Hessen so pudelwohl fühlen, liegt am Menschen. 1934 waren am Edersee in der Nähe von Kassel gezielt zwei Pärchen ausgesetzt worden, um die heimische Fauna zu bereichern. Jahre später büxten aus einer Pelztierfarm bei Strausberg östlich von Berlin weitere Tiere aus.

Zwei junge Waschbären im Reifen versteckt.
Legende: Diese knuffigen Ganoven sind gerade mal vier Monate alt. SRF

Dazu wurden dort nach Kriegsende alle Waschbären mangels Futter freigelassen. Abgesehen von Greifvögeln haben die Kleinbären keine Fressfeinde, sie haben sich in der Folge ungehindert fortgepflanzt. Doch obwohl inzwischen in ganz Mitteleuropa heimisch, werden Waschbären von der EU immer noch als invasive Tierart eingestuft. Die man jagen, dezimieren und ausrotten sollte.

Kompensatorische Fertilität

Versuche, die wachsende Waschbären-Population durch Bejagung zu regulieren, haben allerdings einen gegenteiligen Effekt. Wie bei anderen Wildtieren gleicht die Population grosse Verluste aus. Weniger Waschbären pflanzen sich einfach schneller fort, kriegen früher und mehr weibliche Junge. Letztendlich nimmt die Population sogar zu.

Nachhaltig regulieren liesse sich die Zahl der Waschbären dagegen durch die Sterilisation und Kastration der Tiere, davon ist Mathilde Laininger überzeugt.

Frau mit rotem Haar hält SRF-Mikrofon im Freien.
Legende: «Ein Waschbär ist ein völlig aggressionsloses Tier, das jedem Konflikt aus dem Weg geht. Es ist ein bequemer, dicker Mobs», sagt Tierärztin Laininger. SRF

Die Tierärztin versorgt in ihrer Praxis in Berlin-Zehlendorf neben Hunden und Katzen hauptsächlich verletzte, kranke und verwaiste Waschbären. Durch die Einstufung als invasive Tierart dürfen eingefangene, gesundgepflegte Waschbären aber keinesfalls mehr freigelassen werden.

Frau füttert Waschbär auf einem Holzgerüst im Gehege.
Legende: Die jungen Waschbären finden auf dem Lebenshof für verwaiste Waschbären von Tierärztin Mathilde Laininger in Berlin Brandenburg Unterschlupf. SRF

Laininger, die ihr Herz an die sehr sozialen und intelligenten Tiere verloren hat, betreibt deshalb in Brandenburg den einzigen Lebenshof für Waschbären in Europa.

Berliner Pilotprojekt abgelehnt

Der Lebenshof wird weiter Waschbären aufnehmen müssen. Denn das tierwohlorientierte, auf fünf Jahre angelegte Pilotprojekt von Mathilde Laininger, frei lebende Tiere unfruchtbar zu machen, wurde vom Senat überraschend auf den letzten Metern ausgebremst. Berlin setzt lieber auf ein «Wildtierkompetenzzentrum». Dieses steckt allerdings noch in der Konzeptphase. Derweil sich die Berliner Waschbären munter weiter vermehren.

10vor10, 21.8.2025, 21:50 Uhr; wilh

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