Sie sind so unglaublich süss. Kleine Knopfaugen, schwarze Zorro-Maske, buschiger Ringelschwanz. Wenn Waschbären aber den Garten umpflügen, die Obstbäume kahlfressen, sich jede Nacht mit Geschepper über die Mülltonnen hermachen oder gleich als Untermieter im Dachboden einziehen und zwecks Nestbaus die Wärmedämmung rausrupfen, dann findet man sie nicht mehr so putzig.
-
Bild 1 von 2. Ursprünglich stammt der Waschbär aus Nordamerika ... Bildquelle: SRF.
-
Bild 2 von 2. ... doch seit 140 Jahren ist er auch in Mitteleuropa heimisch. Er gilt in der EU aber als invasive Tierart. Bildquelle: SRF.
Da im grünen Berlin Wildnis und Siedlungsgebiete fliessend ineinander übergehen, rückt der opportunistische Allesfresser dem Menschen immer mehr auf die Pelle. Wie viele Waschbären sich in der deutschen Hauptstadt tummeln, kann aber niemand so genau sagen.
Für den Wildtierbeauftragten der Berliner Senatsverwaltung ist die Zahl der Beschwerden ein guter Indikator.
Erhielt er vor 25 Jahren noch ein, zwei Anrufe im Jahr, sind es heute zwischen fünf und zehn – pro Tag. Bei der Hotline des Vereins «Hauptsache Waschbär» wurden auch schon 1000 Anrufe in einem einzigen Monat gezählt.
Ausgesetzt oder ausgebüxt
Dass sich die aus Nordamerika stammenden Waschbären besonders in Berlin-Brandenburg und in Hessen so pudelwohl fühlen, liegt am Menschen. 1934 waren am Edersee in der Nähe von Kassel gezielt zwei Pärchen ausgesetzt worden, um die heimische Fauna zu bereichern. Jahre später büxten aus einer Pelztierfarm bei Strausberg östlich von Berlin weitere Tiere aus.
Dazu wurden dort nach Kriegsende alle Waschbären mangels Futter freigelassen. Abgesehen von Greifvögeln haben die Kleinbären keine Fressfeinde, sie haben sich in der Folge ungehindert fortgepflanzt. Doch obwohl inzwischen in ganz Mitteleuropa heimisch, werden Waschbären von der EU immer noch als invasive Tierart eingestuft. Die man jagen, dezimieren und ausrotten sollte.
Kompensatorische Fertilität
Versuche, die wachsende Waschbären-Population durch Bejagung zu regulieren, haben allerdings einen gegenteiligen Effekt. Wie bei anderen Wildtieren gleicht die Population grosse Verluste aus. Weniger Waschbären pflanzen sich einfach schneller fort, kriegen früher und mehr weibliche Junge. Letztendlich nimmt die Population sogar zu.
Nachhaltig regulieren liesse sich die Zahl der Waschbären dagegen durch die Sterilisation und Kastration der Tiere, davon ist Mathilde Laininger überzeugt.
Die Tierärztin versorgt in ihrer Praxis in Berlin-Zehlendorf neben Hunden und Katzen hauptsächlich verletzte, kranke und verwaiste Waschbären. Durch die Einstufung als invasive Tierart dürfen eingefangene, gesundgepflegte Waschbären aber keinesfalls mehr freigelassen werden.
Laininger, die ihr Herz an die sehr sozialen und intelligenten Tiere verloren hat, betreibt deshalb in Brandenburg den einzigen Lebenshof für Waschbären in Europa.
Berliner Pilotprojekt abgelehnt
Der Lebenshof wird weiter Waschbären aufnehmen müssen. Denn das tierwohlorientierte, auf fünf Jahre angelegte Pilotprojekt von Mathilde Laininger, frei lebende Tiere unfruchtbar zu machen, wurde vom Senat überraschend auf den letzten Metern ausgebremst. Berlin setzt lieber auf ein «Wildtierkompetenzzentrum». Dieses steckt allerdings noch in der Konzeptphase. Derweil sich die Berliner Waschbären munter weiter vermehren.