Knapp 40 Mal öffnete König Philippe seit Mai 2019 sein Palasttor und schickte anschliessend Parteipräsidenten aller Couleur los. In unterschiedlichsten Konstellationen, Fraktionschefs aller Sprachen und Regionalpolitikerinnen unterschiedlichster Profile, um minimale politische Konsenslinien auszuloten.
Erfolgreich war niemand. Das ist nicht überraschend: Die Parlamentswahlen vor anderthalb Jahren waren Superwahlen. Gleichzeitig wurden vier Regionalparlamente, das nationale Parlament und die Abgeordneten für das europäische Parlament gewählt.
Der rechte Norden gegen den linken Süden
Das Ergebnis war eine totale politische Spaltung des Landes. Im flämischen Norden räumte der rechtsextreme Vlaams Belang ab. Im frankofonen Süden, in Wallonien, gewannen die Kommunisten. Verlierer waren alle anderen.
Eine weitere belgische Besonderheit lähmt die nationale Politik: Es fehlen nationale Parteien. Grüne, Sozialdemokraten, Liberale, Christdemokraten gibt es jeweils in doppelter Ausführung – ohne gemeinsames Programm, ohne gemeinsame Sprache. Und alle Parteien schlossen aus, mit den Wahlsiegern, der extrem Linken im Süden und der äussersten Rechten im Norden, eine Koalition zu bilden.
Parteien haben keine Gemeinsamkeiten
«Bonne chance, vel geluk», unter diesen Voraussetzungen etwas politische Stabilität zu finden. Der Einzige, der nichts zu verlieren hatte, verlor nie die Geduld: der König. «Rauft euch zusammen!», lautete sein letzter Auftrag.
Eine Vivaldi-Koalition soll es nun sein. Vivaldi, in Analogie zu den Gemeinsamkeiten der vier Jahreszeiten. Gemeinsamkeiten gibt es keine.
Sieben Parteien sind dabei: sozialdemokratisches Rot im Norden und Süden, liberales Blau aus Nord und Süd, Grün aus Nord und Süd und katholisches Orange aus dem Norden. Ein Liberaler aus dem flämischen Norden darf den Premier spielen. Seine Partei landete bei den letzten Wahlen auf Platz sieben.
Schulden wegen politischer Geschenke
Das sagt eigentlich alles. Wochenlang wurden nun ein Regierungsprogramm und ein Budget ausgehandelt, das es jeder Partei dieser «Koalition der Verlierer» erlaubt, mit Mehrausgaben bei den Wählerinnen zu glänzen.
Die Folge: Die Staatsschulden Belgiens explodieren nicht nur wegen des Pandemie-bedingten Lockdowns, sondern weil breit herum politische Geschenke verteilt werden. Ob das alles hält, kann sich niemand vorstellen.
Belgien mag eine neue Regierung haben. Doch diese Regierung hat keine Zukunft. In Belgien ist das aber ganz normal.