643 Kilogramm sind es diesmal, in Folie eingeschweisst und mit einem FedEx-Aufkleber getarnt. Der jüngste Kokainfund der senegalesischen Behörden Anfang August in der Nähe der Hauptstadt Dakar ist ein grosser. Aussergewöhnlich ist er gleichwohl nicht. In den letzten Jahren haben sich die Beschlagnahmungen von Kokain stark gehäuft – in Senegal, aber auch in anderen Ländern Westafrikas.
Umweg über Westafrika wird beliebter
Die Funde bestätigen einen Trend, der sich schon länger abzeichnet: Anstatt das Kokain direkt nach Europa zu schicken, entscheiden sich lateinamerikanische Drogenkartelle immer häufiger für eine Ausfuhr über den Umweg Westafrika.
Seit etwa 2019 hätten gewisse Länder an der westafrikanischen Küste für den Kokainhandel stark an Bedeutung gewonnen, sagt Lucia Bird von der Global Initiative Against Transnational Organized Crime. Der in Genf ansässige Think-Tank hat unlängst eine Studie dazu veröffentlicht. Demnach wird bereits heute 30 Prozent des Kokains, das in Europa verkauft wird, über Westafrika geschmuggelt. Bis ins Jahr 2030 könnte dieser Anteil gar bis auf 50 Prozent steigen.
Per Schiff, Flugzeug oder U-Boot
Typischerweise wird das Kokain über den Seeweg, oft aus Brasilien, in Länder wie Senegal, Sierra Leone, Guinea-Bissau oder die Kapverden gebracht. Nicht selten werden für die Fahrt über den Atlantik unauffällige Fischkutter verwendet, teils aber auch Flugzeuge oder gar U-Boote.
Von Westafrika aus wird das Schmuggelgut schliesslich in Schiffscontainern, im Flugzeug oder gar auf dem Landweg durch die Sahara nach Europa gebracht. Organisiert wird dieser Schmuggel auf der sogenannten «afrikanischen Route» in zunehmendem Masse auch von Drogenclans aus Europa, insbesondere aus den Balkanstaaten Montenegro und Albanien.
Doch wieso Afrika, wieso dieser Umweg? Ein Hauptgrund sieht Sasa Djorjevic von der Global Initiative Against Transnational Organized Crime darin, dass Schiffe und Container aus Lateinamerika in Europas Häfen heute strenger kontrolliert würden. Das mache es schwieriger und riskanter, Drogen direkt einzuführen.
Beim Transport via Westafrika sei das bisher noch einfacher. Senegals Hauptstadt Dakar zum Beispiel, mit seinem Hafen und den vielen Schiffsverbindungen nach Spanien, sei für die Kartelle und ihre Mittelsmänner zu einem attraktiven Umschlagplatz geworden.
Lückenlose Kontrollen kaum möglich
Untätig bleiben die Behörden angesichts dieser Entwicklungen indes nicht. In Europas Häfen schaut man bei den Containern aus Westafrika inzwischen genauer hin. Und in Westafrika selbst arbeiten manche Regierungen in zunehmendem Mass mit Interpol und europäischen Regierungsstellen zusammen. Das führt – wie in Senegal – immer häufiger zu Beschlagnahmungen. Die Menge an Kokain, die so aus dem Verkehr gezogen wird, hat sich in Westafrika in den letzten Jahren vervielfacht.
Trotzdem gehen Expertinnen und Experten davon aus, dass das nicht reicht für eine Trendumkehr. Gerade in den politisch instabilen oder autokratischen Ländern entlang der westafrikanischen Küste – und im Sahel – wird es schwierig bleiben, den Schmuggel einzudämmen. Und in Europa wird es wohl nie lückenlose Kontrollen der ankommenden Container geben können – dafür sind es schlicht zu viele.