Nie zuvor gab es in Südamerika eine Migrationswelle wie die der letzten fünf Jahre, in denen bereits fast sechs Millionen Venezolaner nach Kolumbien, Peru, Chile, Ecuador und in andere Länder der Region migriert sind.
Auch weltweit gibt es kaum eine Region, in der so viele Menschen ihr Land verlassen haben. Die meisten Flüchtlinge hat das Nachbarland Kolumbien aufgenommen: Knapp zwei Millionen Venezolaner leben dort, meist unter prekären Bedingungen. Kolumbiens rechtskonservativer Präsident Ivan Duque kündigte nun an, dass er ihren Aufenthalt legalisieren will.
Die venezolanischen Flüchtlinge in Kolumbien haben Anspruch auf einen für zehn Jahre gültigen Aufenthaltsstatus. Die Flüchtlinge werden geimpft, sie erhalten reguläre Papiere, Zugang zum Arbeitsmarkt und zum Gesundheitswesen.
Weltweit viel Lob und Anerkennung
«Es ist eine emblematische humanitäre Geste für die Region, sogar für die ganze Welt», sagte Filippo Grandi, Leiter des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen. Lob kam auch von der Katholischen Kirche, verschiedenen anderen Stellen der UNO und von der US-Regierung.
Denn ein Grossteil der venezolanischen Flüchtlinge arbeitet schwarz und ist deswegen Ausbeutung, Missbrauch und Diskriminierung ausgesetzt. Der neue Status gibt den Menschen Schutz.
Vor allem innenpolitisch riskant
Doch die Integration der Venezolaner wird angesichts Kolumbiens eigener Probleme gewaltige Anstrengungen verlangen. Der 50-jährige Bürgerkrieg hat über sieben Millionen Binnenflüchtlinge hinterlassen, die Armut ist gross und die Pandemie trifft die Wirtschaft hart.
Kolumbien ist in der grössten Rezession seiner Geschichte, die Arbeitslosenquote von fast 14 Prozent ist so hoch wie noch nie. Gleichzeitig insgesamt fast zwei Millionen Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren, fordert einen riesigen Kraftakt. Präsident Duque hofft, dass angesichts seiner grosszügigen humanitären Geste finanzielle Unterstützung aus dem Ausland kommen wird.
Doch die Anerkennung der venezolanischen Flüchtlinge strapaziert nicht nur das Budget. Monika Pachón, Politologin an der Universität de Los Andes in Bogotá, sagt gegenüber SRF News: «Wenn es nun im Land zu Delikten kommen sollte mit registrierten Venezolanern als Täter, dann steigt die Fremdenfeindlichkeit. Dann fragen sich die Menschen: Wieso haben wir ihnen so viel geschenkt?»
Effekt auf die Region?
Die UNO hofft, dass diese Geste Kolumbiens auf die ganze Region ausstrahlt. In Ecuador, Peru oder Argentinien leben hunderttausende venezolanische Flüchtlinge. Aber viele Länder scheuen sich wegen des immensen innenpolitischen Drucks, deren Aufenthalt zu legalisieren. Chile hat gerade begonnen, venezolanische Flüchtlinge wieder abzuschieben.