Der luxemburgische Aussenminister Jean Asselborn sagt im Brüsseler Politbetrieb immer wieder öffentlich, was andere Politiker bestenfalls hinter verschlossenen Türen sagen. So äusserte er sich auch jetzt am Rande einer Ministertagung in Brüssel zu Italien: «In Rom haben wir es ja mit etwas zu tun, was uns, aber auch den Italienern, wehtun kann.»
Darum hoffe er, dass auch der Präsident der Italiener ein gewichtiges Wort mitrede und jetzt nicht alles kaputtmache, was in den letzten acht Jahren seit der Finanzkrise aufgebaut worden sei. «Das wünsche ich den Italienern und das wünsche ich uns», erklärte Asselborn.
Programm der Wahlsieger weckt Ängste
Das Problem ist dabei aber nicht Giuseppe Conte und dass er als möglicher neuer Premier Italiens auch in Brüssel ein Nobody ist. Das Problem ist vielmehr das Programm der rechten Lega und der Protestbewegung Cinque Stelle, wie auch Guntram Wolff festhält. Dieses Programm sei besorgniserregend, weil es erhebliche Zusatzausgaben vorsehe und diese mit Steuersenkungen kombiniere, sagt der Chef des Brüsseler Think-Tanks «Bruegel».
Das würde zwingend dazu führen, dass sich der italienische Staat weiter verschuldet. Die bereits heute hohen Staatsschulden würden noch höher. Die Schuldentragfähigkeit wäre in Frage gestellt und die von Asselborn prophezeite erneute Euro-Krise wäre unausweichlich.
Zu diesem Schluss kommt auch Wolff: «Was wir jetzt in den Finanzmärkten sehen, ist der Anfang. Die Spreads gingen schon ordentlich hoch und zwar nicht nur von Italien, sondern auch von Spanien und Portugal.»
Kollateralschäden dürften nicht ausbleiben
Bereits jetzt reagieren also die Finanzmärkte nervös und die kurzfristigen Zinsen für Spanien und Portugal steigen ein wenig an. Und das, obwohl die italienische Regierung noch gar nicht steht. Bereits die im Programm von Lega und Cinque Stelle enthaltene Forderung, die Schuldenregeln auf europäischer Ebene neu zu diskutieren, löst Unruhe an den Finanzmärkten aus.
«Das Ärgerliche an der ganzen Sache ist, dass Italien leichtfertig nicht nur sein eigenes Wachstum und seine eigene momentan positive Beschäftigung aufs Spiel setzt, sondern damit sehr schnell viele andere Länder mit hineinzieht. Das kann einiges an Kollateralschaden entstehen», so Wolff.
Und die geplanten Reformen?
Dieser Kollateralschaden geht sogar noch weiter: Indem die mögliche neue italienische Regierung ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzt und sich damit quasi von Anfang an als vertrauenswürdiger Partner aus dem Spiel nimmt, dürfte es noch schwieriger werden, die EU zu reformieren.
Bei wichtigen Fragen wie der Eurozone braucht es neben Frankreich und Deutschland eben auch Italien. Das dürfte EU-Gegner wie den Briten Nigel Farage freuen. Der Brexit-Befürworter sprach bereits nach dem Sieg des Movimento Cinque Stelle bei den Parlamentswahlen vom nahen Ende der EU.
Schlechte Nachrichten sind das für den französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der mit dem Anspruch antrat, die EU reformieren zu wollen. Zunächst wartete er auf eine handlungsfähige deutsche Regierung, und nun macht ihm Italien möglicherweise einen Strich durch die Rechnung.
Macrons Appell in Sofia
Bezeichnend war denn auch Macrons Antwort am EU-Gipfel von letzter Woche in Sofia auf eine Frage eines Journalisten, was er von der möglichen neuen Regierung Italiens bestehend aus Populisten zu sagen habe. «Eigentlich nichts», sagte Macron unter Verweis auf den demokratischen Entscheid.
Doch dann sprach er einmal mehr ellenlang von der historischen Verantwortung, die EU jetzt zu reformieren. Und dabei hoffte er wohl, dass ihm vor allem der italienische Präsident Sergio Mattarella gut zuhörte. Denn dieser kann die künftige italienische Regierung auch jetzt noch beeinflussen – und damit auch den Kurs Europas.