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Konflikt um Berg-Karabach Der lange Schatten sowjetischer Grenzen

Fast dreissig Jahre sind vergangenen seit zwischen Armenien und Aserbaidschan ein Krieg ausgebrochen ist. Seinen Lauf nahm der bewaffnete Konflikt beider Länder mit dem Ende der Sowjetunion. Es ist der am längsten anhaltenden Konflikt auf dem Gebiet der ehemaligen UdSSR und gilt als der potenziell gefährlichste.

Die Grenzen der Bolschewiken

Als 1921 auf dem Reisbrett in der Sowjetunion Grenzen zwischen den Republiken gezogen wurden, war die ethnische Zusammensetzung der Bevölkerung für die Bolschewiken nicht das entscheidende Kriterium, nach welchem die Regionen einer Republik zugeordnet wurden.

Kämpfe in der Region dauern weiter an

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Zerstörtes Haus in Martuni.
Legende: Reuters

Aserbaidschan hat seine militärische Offensive in der umkämpften Region Berg-Karabach am Dienstagmorgen fortgesetzt. Die Truppen bewegten sich in Richtung der Stadt Füsuli und hätten vier armenische Panzer zerstört, hiess es aus dem Verteidigungsministerium in der Hauptstadt Baku. In der Stadt Gadrut starb eine ältere Frau bei einem aserbaidschanischen Drohnenangriff auf den Hof eines Hauses, wie die dortigen Behörden mitteilten. Drei Bewohner wurden verletzt.

Aserbaidschan hatte nach eigenen Angaben bereits am Sonntag sieben Dörfer in Berg-Karabach zurückerobert. Militärberichten zufolge nahmen die aserbaidschanischen Truppen in der Bergregion auch strategisch wichtige Anhöhen ein. Kämpfer aus Berg-Karabach versuchten den Angaben zufolge ohne Erfolg, die Stellungen wieder unter ihre Kontrolle zu bringen. Es handelt sich um die schwersten Gefechte seit Jahren. Beide Länder haben den Kriegszustand verhängt. Die Streitkräfte der ölreichen Republik Aserbaidschan sind denen des verarmten Landes Armenien um ein Vielfaches überlegen.

Schliesslich gab es keine wirklichen Grenzen innerhalb der Sowjetunion und die Machtzentrale war Moskau und nicht Baku oder Jerewan. Doch in dieser Politik liegt die Wurzel des Konflikts.

Historische Auslegung beiderseits

Aus armenischer Sicht ist die Region Berg-Karabach historisch eine Provinz des Landes. Von der Verbundenheit zu Armenien zeugen armenische Kirchen auf dem Gebiet von Berg-Karabach. In der Region lebten auch 1921 mehrheitlich Armeniern. Doch das Gebiet wurde dem Territorium der aserbaidschanischen Sowjetrepublik zugeordnet.

Für Aserbaidschan spielt die Region historisch auch eine wichtige Rolle. Dabei macht man auf aserbaidschanischer Seite geltend, dass die Region während 200 Jahren zum Khanat Karabach gehörte, einem Staat der auf dem heutigen Gebiet Aserbaidschans liegt.

Folgenreiche Resolution

Erstmals zu einer Auseinandersetzung kam es 1988, als in der Region eine Resolution verabschiedet wurde, in welcher die Angliederung an die Sowjetrepublik Armeniens gefordert wurde. Dies löste befürwortende Proteste in Jerewan aus und stiess auf heftigen Widerstand in Baku. In dessen Folge es zu einem Pogrom mit 26 Toten in einem armenischen Dorf in Berg-Karabach kam worauf ethnische Armenier in grosser Zahl Aserbaidschan verliessen und umgekehrt.

Karte.
Legende: Berg-Karabach und die von Armenien besetzte Pufferzone (schraffiert). SRF

Als sich die Region Berg-Karabach 1991 für unabhängig erklärte von Aserbaidschan, brach ein verheerender Sezessionskrieg aus bei dem rund 25‘000 Menschen gestorben sind und es auf beiden Seite zu ethnischen Säuberungen kam. Mehr als 1 Million Menschen zwang der Krieg in die Flucht darunter 700’000 Aserbaidschaner und 400’000 Armenier. Armenien gelang es Berg-Karabach unter seine Kontrolle zu bringen und damit ging Armenien als Gewinner aus dem Konflikt hervor.

Keine Lösung in Sicht

Bis heute kontrolliert Armenien nicht nur Berg-Karabach, sondern auch sieben umliegende Regionen, deren Zugehörigkeit zu Aserbaidschan historisch unumstritten gilt. Ein 1994 unter Federführung Russlands ausgehandelter Waffenstillstand beendete die unmittelbaren Kriegshandlungen.

Doch Moskau hat eine zwiespältige Rolle als Schutzmacht Armeniens und Waffenlieferant Aserbaidschans. Der Status-Quo ist für den Kreml der günstigste Zustand und der OSZE fehlte all die Jahre das politische Gewicht. Gab es seit 2018 erste Hoffnungen auf eine Annäherung haben sich diese spätestens in diesem Jahr bis auf Weiteres zerschlagen.

Tagesschau, 28.09.2020, 19:30 Uhr

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