Ba Sai sitzt im Schneidersitz auf dem Boden der kleinen Wohnung ausserhalb Bangkoks. Gemeinsam mit zwei anderen Schülern wiederholt er die Laute seines burmesischen Lehrers. In der Ecke schläft ein Arbeiter, eingewickelt in eine Decke – scheinbar ungestört vom Thailändisch-Unterricht.
Ba Sai ist 21 Jahre alt und heisst in Wirklichkeit anders. Vor über einem Jahr floh er vor dem Bürgerkrieg in Myanmar nach Thailand. Seither arbeitet er in einer Fabrik und sortiert Crevetten.
Festnahme auf der Strasse
«Ich ging am Abend raus auf die Strasse und wurde von Polizisten angehalten. Sie fragten mich, ob ich einen Reisepass besässe. Als ich nein sagte, nahmen sie mich mit.» Gemeinsam mit anderen Arbeitsmigranten landet Ba Sai auf der örtlichen Polizeiwache.
Die Beamten hätten die Festgenommenen in zwei Gruppen aufgeteilt, erzählt Ba Sai. Jene mit gültiger Aufenthaltsbewilligung und jene ohne. Da er keine Arbeitsbewilligung besitzt, verlangen die Beamten Geld: 5000 Baht – umgerechnet knapp 130 Franken. Für Ba Sai ist das rund ein halber Monatslohn – Geld, das er nicht hat.
Er habe wahnsinnige Angst gehabt, erinnert sich Ba Sai. «Es war so schwierig, hierherzukommen und ich wollte auf keinen Fall zurückgeschickt werden.» Ba Sai darf einen Anruf tätigen. Zum Glück hebt ein Freund ab – und: leiht ihm das Geld. Ba Sai kommt frei.
Beamte fahren Migranten zu Bankomaten
Auch Pa Go, der legal in Thailand lebt, berichtet von Erpressung. Auch er heisst in Wirklichkeit anders. Der 32-Jährige betreibt einen Kleintransport und geriet mit fünf burmesischen Passagieren in eine Polizeikontrolle. Keiner der Passagiere hatte einen gültigen Ausweis.
«Ich war erleichtert – die Beamten wollten nur Geld und steckten uns nicht ins Gefängnis», so Pa Go. Die Forderung: 100’000 Baht, umgerechnet 2500 Franken. Pa Go beginnt mit den Beamten zu feilschen. Am Ende zahlte er etwas mehr als die Hälfte – die Polizisten hätten ihn zum Bankomaten gefahren.
Erpressung mit System
Laut Human Rights Watch sind Fälle wie diese keine Ausnahmen. Die Organisation spricht in ihrem neuesten Bericht von systematischem Missbrauch durch Behörden.
Die bekannte Menschenrechtsanwältin Angkhana Neelaphaijit erklärt, warum sich daran kaum etwas ändert: «Viele glauben, dass Menschen aus Myanmar nur unsere Ressourcen nutzen.»
Dabei ist Thailands Wirtschaft stark auf die Arbeitskraft der burmesischen Migranten angewiesen – ob in der Fischerei, auf dem Bau oder als Haushaltshilfen.
Ein Alltag in Angst
Ba Sai versucht, sich in Thailand ein Leben aufzubauen. Er besucht weiter den Sprachunterricht, auch um bei Kontrollen die Beamten besser verstehen zu können. Doch Anfang Juli wird er erneut festgenommen – wieder muss er zahlen.
Für viele wie ihn bleibt das Leben in Thailand ein ständiger Balanceakt: arbeiten, lernen – und möglichst nicht auffallen.