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Kosovo-Albaner in der Schweiz «Das Land soll nicht am Tropf der Diaspora hängen»

In Kosovo haben die Wählerinnen und Wähler für einen Machtwechsel und gegen die herrschende, korrupte Elite gestimmt. Auch die Kosovo-Albaner in der Schweiz sehnten sich nach einer funktionierenden Demokratie ohne Korruption, sagt Enver Robelli, Journalist mit kosovarischen Wurzeln.

Enver Robelli

Journalist

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Enver Robelli ist in Kosovo geboren und in der Schweiz aufgewachsen. Der Journalist schreibt für diverse Printmedien, darunter den «Tages-Anzeiger».

SRF News: Was bedeutet das Wahlresultat für die rund 200'000 in der Schweiz lebenden Kosovarinnen und Kosovaren?

Enver Robelli: Die Leute freuen sich auf den möglichen Machtwechsel. Sie wollen, dass Kosovo ein funktionierender Staat und eine funktionierende Demokratie wird. Das Land soll nicht am Tropf der Diaspora und der internationalen Gemeinschaft hängen. Sie hoffen, dass der Machtwechsel eine bessere Zukunft für Kosovo bringt.

Was verändert sich konkret für die Kosovaren, die in der Schweiz leben?

Bisher war es für sie ein Hürdenlauf, wenn sie an den Wahlen in Kosovo teilnehmen wollten. Die bisher Regierenden wollten das so, denn die Leute in der Diaspora unterstützen mehrheitlich die Opposition.

Künftig sollen auch Kosovaren im Ausland wählen können.

Die bisherigen Oppositionsparteien, die Wahlsieger also, haben versprochen, das entsprechende Gesetz so rasch als möglich ändern zu wollen. Künftig sollen im Ausland lebende Kosovaren in den diplomatischen Vertretungen relativ unkompliziert wählen können.

Gibt es auch langfristige Veränderungen für die in der Schweiz lebenden Kosovaren?

Die Opposition hatte versprochen, gut ausgebildete junge Leute aus der Schweiz nach Kosovo zu locken, damit sie dort Verantwortung in der Regierung übernehmen könnten. Sie sollen mit ihren Erfahrungen aus der Schweiz ihrer alten Heimat dabei helfen, auf die Beine zu kommen. Vor allem die linke Partei Vetevendosje versprach auch, das Land für Investitionen aus dem Ausland und der Diaspora öffnen zu wollen. Wie weit sie das umsetzen wird, wird man aber noch sehen.

Halten Sie diese Ziele für realistisch?

In erster Linie ist es wichtig, dass in Kosovo der Kampf gegen die grassierende Korruption aufgenommen wird. Dann dürften Kräfte freigesetzt werden, etwa indem die Diaspora einen noch grösseren Beitrag leistet.

Die Kosovo-Albaner im Ausland schicken jedes Jahr mehr als eine Milliarde Euro in ihre alte Heimat.

Bisher schicken die Kosovo-Albaner im Ausland jedes Jahr mehr als eine Milliarde Euro nach Kosovo – sie spielen schon jetzt eine wichtige Rolle. Wie sich diese weiterentwickeln wird, ist allerdings schwierig vorauszusagen.

Weshalb haben diese Wahlen die kosovarische Community so stark bewegt?

Die Leute sind vom Krieg und den damit einher gegangenen Kriegsverbrechen in Kosovo stark geprägt. Heute sind die Kosovo-Albaner zwischen St. Gallen und Genf vor allem eine Art Sozialamt für ihre Familien in Kosovo, sie identifizieren sich aber auch stark mit ihrer alten Heimat. Sie haben das Privileg, in der Schweiz in einer funktionierenden Demokratie zu leben. Eine solche möchten sie auch in ihrer Heimat sehen. Selbstverständlich sind das grosse Erwartungen. Sicher aber ist, dass sie nicht ehemalige UCK-Rebellenführer als Regierende in Kosovo wollen, die ihre Ferien in teuren Schweizer Hotels verbringen und über ihr Tun keine Rechenschaft ablegen.

Das Gespräch führte Daniela Püntener.

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