Darum geht es: Die Präsidentschaftswahl in Russland hat begonnen und dauert noch bis Sonntag. Es gilt als sicher, dass Kremlchef Putin zum fünften Mal als Sieger hervorgeht. Moskaus Machtapparat will aber eine möglichst hohe Wahlbeteiligung erzielen, um die von Gegnern Putins als Farce bezeichnete Abstimmung als legitim zu bezeichnen. Putin kann laut staatlichen russischen Wahlforschern mit einem Rekordergebnis von mehr als 80 Prozent der Stimmen rechnen. Doch offensichtlich wollen einige Menschen in Russland den Plänen des Machthabers einen Strich durch die Rechnung machen.
Die Getreuen an der Urne
Zu viele Kreuze auf dem Wahlzettel: Proteste sind in Russland verboten. Zwar hatten etwa Oppositionelle um den in Haft gestorbenen Kremlgegner Alexej Nawalny zu einer Protestwahl aufgerufen. Sie rieten allerdings zu leisem Protest und wiesen auch auf die Gefahr hin, festgenommen und bestraft zu werden. Eine Möglichkeit des leisen Protests: Stimmzettel in der Kabine durch das Ankreuzen mehrerer Kandidaten ungültig machen.
Tinte und Farbe in Wahlurnen: Laut den russischen Behörden hat es am ersten Tag mehrere Attacken auf Wahlurnen mit Stimmzetteln gegeben. Frauen und Männer hätten in der Region Rostow und in der im Nordkaukasus gelegenen Republik Karatschai-Tscherkessien Tinte in Urnen gegossen, behauptet der Vizechef der Wahlkommission in Moskau, Nikolai Bulajew laut der staatlichen Nachrichtenagentur Tass. Ziel der Angreifer sei es gewesen, die Stimmzettel ungültig zu machen. In sozialen Netzwerken kursierte auch ein Video, das zeigt, wie eine Frau – angeblich in Moskau – zunächst völlig unbehelligt Farbe aus einer Flasche in eine Urne giesst.
Feuer in Wahlkabinen und Wahllokale: Ein anderes Video zeigt, wie eine ältere Frau eine Stimmkabine in Brand setzt. Die 70-Jährige wurde laut Medien in Moskau festgenommen, ihr drohen bis zu fünf Jahre Haft. In St. Petersburg gab es dem Portal «Fontanka» zufolge einen Brandanschlag auf ein Wahllokal mit einem Molotow-Cocktail. St. Petersburg ist die Heimatstadt Putins.
Angriffe durch die Ukraine: In der Region Belgorod an der Grenze zur Ukraine haben die Angriffe in den vergangenen Tagen zugenommen. Einheiten aus der Ukraine sind dazu in russisches Gebiet eingedrungen, wie beide Seiten bestätigen. Der Kreml sieht dies als Versuche einer Destabilisierung im Zuge der Präsidentschaftswahl an. Ausserdem werfen die von Moskau installierten Behörden in der teilweise russisch kontrollierten ukrainischen Region Cherson den ukrainischen Streitkräften vor, zwei Wahllokale bombardiert zu haben. Auf Telegram teilt die örtliche Wahlkommission mit, es seien Lokale in Kachowka und Bryliwka gezielt angegriffen worden. Mehrere Menschen seien verletzt und die Gebäude beschädigt worden.
Verfrühte Gratulation: Subtile Kritik von Aussen gibt es auch. Noch bevor der erste von drei Wahltagen in Russland zu Ende gegangen ist, hat EU-Ratspräsident Charles Michel dem Autokraten gratuliert. «Ich möchte Wladimir Putin zu seinem Erdrutschsieg bei den heute beginnenden Wahlen gratulieren», spottet er auf der Plattform X (vormals Twitter). «Keine Opposition. Keine Freiheit. Keine Wahl.»