Zum Inhalt springen

Kremlkritiker im Koma Vergiftungssymptome bei Nawalny lassen nach

  • Die Vergiftungssymptome bei dem schwerkranken Kremlkritiker Alexej Nawalny bilden sich nach einer Mitteilung der Berliner Charité zurück.
  • Nawalny ist demnach nicht in akuter Lebensgefahr. Er befinde sich aber weiterhin im künstlichen Koma auf der Intensivstation.
  • Der Regierungskritiker war nach Deutschland geflogen worden, nachdem vor gut einer Woche schwere Vergiftungssymptome aufgetreten waren.

«Sein Gesundheitszustand ist unverändert ernst, ohne dass akute Lebensgefahr besteht», erklärten die Ärzte. «Nach wie vor sind eventuelle Langzeitfolgen der schweren Vergiftung des Patienten nicht absehbar.»

Merkel will EU in die Pflicht nehmen

Bundeskanzlerin Angela Merkel strebt unterdessen eine europäische Reaktion auf den Fall an. «Es ist ja nicht ein deutsches Problem, auch wenn Deutschland jetzt Herrn Nawalny aufgenommen hat», sagte die Kanzlerin in ihrer Sommer-Pressekonferenz in Berlin. Zunächst brauche es mehr Aufklärung. Merkel verwies auf die internationale Reaktion auf das Attentat auf Sergej Skripal 2018 in Grossbritannien, für das Russland verantwortlich gemacht wird. Etliche europäische Staaten wiesen danach russische Diplomaten aus.

Eine Verknüpfung des Falles mit dem Pipeline-Projekt Nord Stream 2 lehnte Merkel ab. «Dieses wirtschaftlich getriebene Projekt jetzt mit der Frage Nawalny zu verbinden, halte ich nicht für sachgerecht», sagte die Kanzlerin. Sie wolle, dass die Pipeline fertig gebaut werde. Merkel kritisierte zudem US-Sanktionsdrohungen, mit denen die Fertigstellung des Baus verhindert werden soll.

Gefundener Stoff wird weiter untersucht

Auch Bundesaussenminister Heiko Maas erklärte, man werde die weiteren Aufklärungsergebnisse abwarten. «Die Kanzlerin weist darauf hin, dass es weitere Untersuchungen, auch hinsichtlich des Stoffes, geben soll.» Man prüfe, ob man aufgrund seiner Beschaffenheit Schlüsse daraus ziehen könne, woher er komme. «Die Ergebnisse der Untersuchung warten wir ab», sagte Maas.

Der «Spiegel» berichtete, die Charité habe die Bundeswehr um Hilfe gebeten, die in München ein Institut für Pharmakologie und Toxikologie betreibt. Die Anfrage deute darauf hin, dass die Experten von einem chemischen Kampfstoff ausgingen. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Berlin erklärte dazu lediglich, es seien mehrere Dienststellen der Bundeswehr mit dem Fall Nawalny befasst gewesen oder seien es noch. Details könne er nicht bestätigen.

Russland im Verdacht

Die Charité wollte sich zu dem Bericht nicht äussern. Sie erklärte, die behandelnden Ärzte seien mit Nawalnys Frau in engem Austausch. «Im Einvernehmen mit seiner Ehefrau geht die Charité davon aus, dass die öffentliche Mitteilung zum Gesundheitszustand in seinem Sinne ist.»

Nawalny war vor gut einer Woche auf einem Inlandsflug in Russland zusammengebrochen und am Samstag nach Deutschland ausgeflogen worden. Die deutschen Ärzte stellten eine Vergiftung fest. Russland wird für mehrere Giftattentate auf Kremlkritiker verantwortlich gemacht.

SRF 4 News vom 28.08.2020, 17 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel