Die Feuerpause im Nahen Osten ist nach einer Woche zu Ende. Die israelische Armee hat am Freitagmorgen wieder mit dem Beschuss von Gaza begonnen. Die freie Journalistin Gisela Dachs berichtet aus Tel Aviv und liefert erste Einschätzungen zur Lage vor Ort – und erklärt, warum die Feuerpause nicht erneut verlängert wurde.
SRF News: Wie ist die Situation in Israel?
Gisela Dachs: Am frühen Morgen gab es die ersten Raketenangriffe der Hamas auf Israel. Im Augenblick sind diese noch beschränkt auf die an den Gazastreifen angrenzende Gegend. Damit hat die Hamas die seit sieben Tagen vereinbarte Waffenruhe verletzt. Seither greift auch Israel wieder Ziele der Hamas im Gazastreifen an.
Die israelische Armee sagt, die extremistische Hamas habe sich nicht an die Feuerpause gehalten. Wie spricht man über die Vorgänge in Israel?
Zunächst gab es die morgendlichen Raketenangriffe, die seither anhalten. Inzwischen hat die israelische Heimatfront die Anordnungen verschärft, dass im Grossraum Tel Aviv der Schulbetrieb nur stattfinden kann, wenn es dort Schutzräume gibt. Man rechnet also mit weiteren Beschüssen, die über das unmittelbare Grenzgebiet hinausgehen.
Neben dem Raketenbeschuss gab es wohl einen weiteren Hauptgrund für das Ende der Feuerpause. Nämlich war die Hamas nicht in der Lage, wie versprochen eine Liste für die Freilassung von mindestens zehn Frauen zu liefern, die im Gazastreifen festgehalten werden. Derzeit sitzen dort noch 13 Frauen in Geiselhaft. Gemäss der Vereinbarung zwischen Israel und der Hamas sollten letztlich alle Frauen und Kinder freigelassen werden, damit die Waffenruhe weitergeführt wird.
Was bedeutet das Ende der Feuerpause für die verbliebenen Geiseln?
Derzeit ist die Rede davon, dass es im Gazastreifen noch 150 israelische Geiseln gibt. Bisher sind 81 israelische Geiseln freigelassen. Dazu kommen 24, die ausschliesslich eine ausländische Staatsbürgerschaft haben. Die Frage war, warum sich die Hamas so schwer mit diesen Listen tut – wobei unklar ist, ob dies ein Vorwand der Hamas ist oder nicht. Auf jeden Fall behauptet sie, dass sie zu manchen Geiseln keinen Zugang hat, weil sich diese in den Händen anderer rivalisierender Organisationen befinden würden.
Man weiss nicht, zu wie vielen Geiseln die Hamas Zugang hat – und wie viele von ihnen noch leben.
Zudem geht man davon aus, dass viele der Geiseln tot sein könnten. Ein Drittel der Geiseln haben etwa Krebs oder leiden unter chronischen Krankheiten. Wenn sie nicht versorgt wurden, wird sich ihr Gesundheitszustand sicherlich nicht verbessert haben. Die Situation ist also recht unklar. Man weiss nicht, zu wie vielen Geiseln die Hamas Zugang hat – und wie viele von ihnen noch leben.
Sind der Hamas also gewissermassen die Geiseln «ausgegangen»?
Das steht zumindest im Raum. Es wird weiter eine Mutter mit zwei Kleinkindern vermisst, darunter ein Baby. Bei ihnen war man sich eigentlich sicher, dass diese unter den Geiseln sein sollten, die während der Feuerpause freigelassen würden. Vor zwei Tagen hat die Hamas aber verlauten lassen, dass diese Familie bei einem israelischen Angriff auf den Gazastreifen umgekommen sei.
Das lässt sich natürlich nicht verifizieren. Die Hamas hat in den letzten Tagen viele Falschnachrichten gestreut. Dahinter steckt auch psychologische Kriegführung. Nun ist die Waffenruhe zu Ende gekommen. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass es doch noch unmittelbare Versuche gibt, die verbliebenen 13 Frauen aus der Geiselhaft heraus zu bekommen.
Das Gespräch führte Nina Gygax.