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Krieg im Sudan Durchhaltewillen in Khartum

Seit Montag sollten im Sudan eigentlich die Waffen schweigen. Doch wie bei früheren vereinbarten Feuerpausen wurde auch diese Waffenruhe nicht eingehalten. Ein Brennpunkt der Kämpfe ist die Hauptstadt Khartum. Was bedeutet der Konflikt für die Menschen dort? Eine Sudanesin erzählt.

Duaa Tariq hat ihr Haus in der sudanesischen Hauptstadt Khartum seit zwölf Tagen nicht verlassen. Und das nicht nur, weil praktisch die ganze Woche trotz Waffenruhe die Kampfjets und Schüsse in ihrer Nachbarschaft zu hören waren.

Die 30-Jährige geht nicht mehr aus dem Haus, seit die paramilitärischen Rapid Support Forces, kurz RSF, die ihr Quartier kontrollieren, auf sie und ihre Nachbarinnen geschossen haben. «Vier Frauen standen lediglich da und haben nichts gemacht», so die junge Sudanesin. Das zeige, wie willkürlich die RSF-Miliz vorgehe.

Brutale Milizen

Auch wenn der Krieg im Sudan ein Krieg zwischen zwei Generälen und ihren jeweiligen Kämpfern ist, die Leidtragenden sind die Zivilistinnen und Zivilisten. Berichte von Übergriffen der Rapid Support Forces kommen aus diversen von den Milizen besetzten Gebieten.

Sie würden plündern, vergewaltigen und die leerstehenden Wohnhäuser der Geflüchteten besetzen. Aktivistin und Künstlerin Duaa Tariq überrascht das nicht, schliesslich seien die Rapid Support Forces den Sudanesinnen und Sudanesen bestens bekannt. «Selbst als die Milizen noch mit der sudanesischen Armee zusammenspannten, wurden die RSF stets ausgeschickt, wenn es darum ging, brutal gegen die Bevölkerung vorzugehen.»

Die Rapid Support Forces sind aus den sogenannten Janjaweed-Reitermilizen entstanden. Diesen wird vorgeworfen, in den Nullerjahren einen Genozid in Darfur, einer Region im Westen des Landes, begangen zu haben. Bei den Pro-Demokratie-Protesten ab 2019 gegen die beiden Generäle, die sich jetzt bekriegen, wurden stets RSF-Milizen auf die Protestierenden angesetzt. Die RSF erschossen Dutzende friedlich Demonstrierende.

Nachbarschaftshilfe ersetzt die Regierung

Wegen der RSF kann Duaa Tariq seit Tagen nur noch von zu Hause aus tätig sein. Dabei gäbe es so viel zu tun. Gemeinsam mit mehreren Tausend Freiwilligen ist die junge Frau Teil der nachbarschaftlich organisierten Hilfe. Es fehlt in Khartum an Wasser, Essen, Strom, Medikamenten und medizinischer Hilfe.

«Wir bauen wieder auf, was die Regierung zerbombt. Wir bringen den Menschen Essen, begraben die Toten.» Die nachbarschaftlich organisierte Hilfe basiert auf den sogenannten «Resistance Committees». Diese Nachbarschaftskomitees haben massgeblich zum Sturz des Diktators Omar al-Bashir beigetragen und waren zentral für die Demokratiebewegung und den Widerstand gegen die beiden derzeit kämpfenden Kriegsgeneräle.

Menschen stehen auf einer Fähre. Daneben sind zwei Busse zu sehen.
Legende: Seit Kriegsausbruch haben Tausende den Sudan verlassen. Viele sind ins benachbarte Ägypten geflohen, wie die Menschen auf dem Bild. Keystone/EPA/Khaled Elfiqi

Die Nachbarschaftskomitees haben stets insistiert, dass mit den beiden Generälen Demokratie im Sudan nicht möglich sein wird. Sie haben, anders als die internationale Gemeinschaft, sich geweigert, sich mit ihnen an einen Tisch zu setzen.

Aus diesem Grund ist für Duaa Tariq auch klar, dass sie Khartum nicht verlassen wird. Ihr Kampf für einen demokratischen Sudan ist noch nicht abgeschlossen. «Der Krieg schafft eine andere Ausgangslage. Aber der Feind ist derselbe. Wir bekämpfen immer noch die Militärherrschaft.» Die letzten vier Jahre in der Demokratiebewegung hätten sie schliesslich gelehrt, durchzuhalten.

SRF 4 News, 26.05.2023, 18:00 Uhr

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