Wie laufen die Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland aus ukrainischer Sicht? Gestern Dienstag zeigte sich der ukrainische Regierungschef Wolodimir Selenski in einer Videobotschaft vorsichtig optimistisch. «In den ersten Runden war Russland nicht bereit, unsere Position anzuhören, sondern hat Ultimaten gestellt: dass die Ukraine sich ergibt, die Waffen niederlegt, dass unser Präsident eine Kapitulation unterzeichnet», sagte auch Ihor Showkwa, der ukrainische Präsidentenberater.
Den leichten Optimismus von Selenski und seiner Entourage führt der diplomatische Korrespondent von SRF, Fredy Gsteiger, auch darauf zurück, dass der Präsident seinem Volk etwas Mut machen müsse. «Seine Leute stehen seit Wochen unter Feuer und sind in einer Notsituation. Er muss etwas Hoffnung schüren, dass das Ganze irgendwann zu Ende geht.» Zum anderen wolle er der Weltöffentlichkeit auch signalisieren, dass die Ukraine zu Kompromissen bereit sei.
Wie laufen die Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland aus russischer Sicht? Der russische Staatspräsident Wladimir Putin kritisierte nach den Gesprächen, dass die Ukraine keine ernsthafte Haltung zeige. Dass die Ukraine den Status eines neutralen Landes annehme, wie beispielsweise Schweden oder Österreich, dies sei die Haltung, die zurzeit von den russischen Unterhändlern diskutiert werde, liess der Kreml am Mittwoch verlauten.
«Putin will vor allem Härte zeigen, auch für sein Volk. Er kann es sich nicht erlauben, die Truppen abzuziehen, ohne etwas erreicht zu haben», so Gsteiger. Er würde damit sein Regime in Russland gefährden. Und der diplomatische Korrespondent fügt hinzu: «Gleichzeitig will er auf die Ukraine Druck machen, noch mehr Zugeständnisse zu machen. Sein Pessimismus besagt: ‹Wir sind noch nicht zufrieden mit den Angeboten der ukrainischen Führung›.»
Selenski ist gewissermassen auf einer Videotour. Er war im britischen und im kanadischen Parlament und will auch in den USA im Parlament auftreten. Was bringen die Solidaritätskundgebungen des Westens Selenski?
«Für Selenski ist es enorm wichtig, auf der Weltbühne sichtbar zu bleiben.» Aufmerksamkeit sei etwas sehr Flüchtiges, so Gsteiger. «2019 war der Klimawandel das grosse Thema, dann kam Corona, dann kam der Ukraine-Krieg. Es kann plötzlich wieder ein anderes Thema kommen.» Solche Auftritte, wie Selenski sie zurzeit absolviert, seien in Parlamenten sehr selten, sagt Gsteiger. Man lade nicht einfach so jemanden ein. «Darum sind die Einladungen auch ein Zeichen der Solidarität.»