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Ukrainer verstecken sich mittels Chats vor Mobilisierungstrupps
Aus SRF 4 News aktuell vom 24.03.2023. Bild: Keystone/AP/Evgeniy Maloletka
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Krieg in der Ukraine Ukrainer umgehen Rekrutierung mit Telegram-Chats

Die ukrainische Regierung sucht mit mobilen Teams nach diensttauglichen Soldaten – etwa in Einkaufszentren oder Metrostationen. Doch manche versuchen, sich dem Kriegsdienst zu entziehen.

Das Land verteidigen – das wollten zu Kriegsbeginn in der Ukraine vor gut einem Jahr noch zehntausende Ukrainer tun. Sie meldeten sich freiwillig zum Dienst. Inzwischen fällt es der ukrainischen Armee schwerer, neue Soldaten zu rekrutieren. Die Regierung setzt deshalb mobile Trupps ein, die die Männer aufsuchen sollen. Die Rekrutierer halten junge Männer an, überprüfen sie und händigen ihnen möglicherweise einen Einberufungsbefehl aus.

Doch manche Dienstunwillige informieren einander über den Messenger-Dienst Telegram, wie sie den Suchteams entwischen können. Für verschiedene Städte gibt es verschiedene Chats, die zwar illegal sind, aber viele Nutzer haben. Die Userinnen und User schreiben, wo diese mobilen Rekrutierungstrupps unterwegs sind. Auslandredaktor und langjähriger Russlandkorrespondent David Nauer hat sich in einige dieser Chats eingeschleust.

«Sie stehen vor dem Supermarkt»

«Bei einem Einkaufszentrum in einem Vorort stehen sie vor dem Supermarkt. Achtung, Achtung!» oder «Ich war gerade an dieser Metrostation, da ist niemand» lauten zwei Nachrichten, die Nauer in den Chats vorfindet. «Die Nachrichten erinnern an einen Ticker, wo live geschildert wird, wo die Trupps unterwegs sind.»

Ukrainer tauschen sich in einem Chat über den Aufenthaltsort von Mobilisierungstrupps aus (Screenshot).
Legende: Wo sind mobile Suchtrupps unterwegs? Wo besteht keine Gefahr? Im Minutentakt tauschen sich die Ukrainer in den illegalen Chats aus. SRF

Dass die Mobilisierungstrupps eingesetzt werden, hat mit der Gesetzeslage zu tun. Ein Einberufungsbrief allein reicht nicht, um die Ukrainer einzuziehen. Beamte müssen den Befehl zur Einberufung den Männern persönlich übergeben. Und diese müssen das mit einer Unterschrift quittieren.

Werden die Männer dann tatsächlich entdeckt, werden sie jedoch nicht unter allen Umständen sofort an die Front geschickt. Der ukrainische Staat wolle einen Überblick bekommen, erklärt Nauer: Wie viele Männer sind da? Wo wohnen sie? Wie ist ihr Gesundheitszustand?

Ein Soldat steht auf einem Militärfahrzeug, davor fährt ein Mann auf einem Velo vorbei.
Legende: Einige dienstunwillige Männer halten sich bewusst nicht an ihrer angemeldeten Wohnadresse auf. Der Staat reagiert mit Trupps, die an neuralgischen Punkten in den Städten unterwegs sind und die Männer überprüfen. Reuters/Shannon Stapleton (11.12.2022)

«Viele der Angehaltenen gehen nach dem Erhalt des Einberufungsbefehls zu den Behörden. Sie werden registriert, vielleicht medizinisch abgeklärt. Und dann dürfen sie wieder nach Hause», so Nauer. Andere hingegen erhalten einen Einberufungsbefehl, der die sofortige Rekrutierung mitsamt Einsatz oder Ausbildung bedeutet.

Verweigerer sind die Ausnahme

Die Männer, die mit allen Mitteln verhindern wollen, in die Fänge der Armee zu geraten, seien jedoch in der Minderheit, so der Eindruck von Nauer. Der Tenor sei eher, dass die Männer einrücken würden, würden sie aufgeboten. Denn es gehe ihnen schlussendlich um die Verteidigung ihres Landes.

Von einer Kriegsmüdigkeit der Ukrainerinnen und Ukrainer würde Nauer nicht sprechen. Doch die Frauen und Männer, die sich zu Beginn des Krieges im Februar 2022 sofort zum Dienst gemeldet haben, seien bereits in der Armee, verletzt oder gefallen: «Das waren Menschen mit Kampferfahrung, Patrioten, bereit, ihr Leben aufs Spiel zu setzen.»

Nun muss der ukrainische Staat neue Männer aufbieten, ausbilden und ausrüsten. Zur Verfügung steht ein Kontingent von Bürgern, die vielleicht nicht ohne Weiteres bereit sind, an der Front ihr Leben zu riskieren.

SRF 4 News, 06:45 Uhr, 24.03.2023;

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