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Krieg in der Ukraine Weshalb kein westlicher Staat Kriegspartei ist

Der Krieg in der Ukraine hält an, die Frage, wer Kriegspartei ist, wird virulenter. Was sagt das Völkerrecht?

Zuerst waren es Helme, nun ist man bei Panzern angelangt: Die westliche Unterstützung für die Ukraine nimmt zu.

Auf der anderen Seite hat Belarus sein Staatsgebiet für russische Angriffe zur Verfügung gestellt, auch Iran unterstützt Russland mit Kampfdrohnen und soll sogar Experten auf die Krim geschickt haben, um die russischen Streitkräfte auszubilden.

«Stiefel auf dem Boden»

Die Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Welche Staaten wie mit dem Kampfgeschehen verbunden sind, ist schwierig zu deuten – immerhin sind Informationen mitentscheidend für den Ausgang des Kriegs und deshalb nicht immer zugänglich. Doch eine Frage treibt um: Wann wird ein Staat zur Kriegspartei?

Ein Panzer und seine Besatzung. Es sieht so aus, als ob man selber auf dem Panzer sitzen würde. Vorne ein langer Weg.§
Legende: Das Arsenal wird grösser: Die Ukraine kann bald auf noch mehr westliche Panzer zurückgreifen. REUTERS/Viacheslav Ratynskyi

Anna Petrig ist Professorin für Völkerrecht an der Universität Basel. Grundsätzlich werde ein Staat dann zur Kriegspartei, wenn er «aktiv und koordiniert an Kampfhandlungen oder militärischen Operationen» teilnehme. «Derzeit können zwei Staaten klar als Kriegspartei bezeichnet werden», sagt sie. Einerseits Russland, welches das Gewaltverbot der UNO-Charta verletze.

Andererseits die Ukraine, welche aus der UNO-Charta das Recht auf Selbstverteidigung ableite. «Zwischen diesen beiden Ländern herrscht ein internationaler bewaffneter Konflikt, womit das humanitäre Völkerrecht aktiviert wird», sagt Petrig. Oder anders formuliert: Die russischen und ukrainischen Soldatinnen und Soldaten haben im Kriegsgebiet «Stiefel auf dem Boden».

Das humanitäre Völkerrecht: das Recht der bewaffneten Konflikte

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Das humanitäre Völkerrecht findet Anwendung, sobald ein international bewaffneter Konflikt vorherrscht. Häufig wird das humanitäre Völkerrecht daher auch als das «Recht der bewaffneten Konflikte» bezeichnet. «Wird ein Staat zur Kriegspartei, so ist auf diesen das humanitäre Völkerrecht anwendbar», erklärt Anna Petrig, Völkerrechtsprofessorin der Universität Basel.

Gemäss dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien liegt ein internationaler bewaffneter Konflikt dann vor, wenn zwischen Staaten auf Waffengewalt zurückgegriffen wird. «Dies ist bei Russland und der Ukraine eindeutig der Fall», erklärt Petrig.

Auch klar sei, wer keine Kriegspartei ist. «Kriegsmateriallieferungen, egal, ob es sich um Schutzhelme oder Kampfflugzeuge handelt, reichen für sich alleine nicht aus», so Petrig. Selbiges gilt grundsätzlich auch für Ausbildungsprogramme, «egal, wo sie stattfinden». Iran, welcher russische Truppen auf ukrainischem Boden ausbilden soll, ist also ebenso wenig Kriegspartei wie Deutschland, welches grünes Licht für die Lieferung der Leopard-2-Kampfpanzer gegeben hat.

Streitfall Belarus

Kompliziert wird die Frage bei Belarus. Sollte auf jenem Staatsgebiet eine Operationsbasis existieren, von der aus Russland einen Teil seiner Angriffe durchführe, habe man es unter Umständen mit einer Kriegspartei zu tun. «Handelt es sich aber nur um einen Stützpunkt zur logistischen Unterstützung, ist dies eher nicht der Fall», sagt Petrig. Entsprechend wichtig sei es, den Einzelfall anzuschauen.

Kriegsparteien: Was wären die Konsequenzen?

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Wenn im Völkerrecht Sachverhalte auf bestimmte Tatbestände zutreffen, entwickelt sich in der Regel eine Rechtsfolge. Was sind also die Konsequenzen, wenn ein Staat als Kriegspartei gilt? Würden beispielsweise beim unwahrscheinlichen Fall, dass Deutschland Truppen in die Ukraine schickt, Berlin, München oder Köln zu legitimen Kriegszielen für Russland? Oder dürfte der Kreml Washington angreifen, wenn die Nato – im ebenfalls unwahrscheinlichen Fall – eine Flugverbotszone über der Ukraine errichten würde?

Sollten, um beim Beispiel Deutschland zu bleiben, deutsche Truppen in die Ukraine entsendet werden, bedeutet dies gemäss der Völkerrechtsprofessorin Anna Petrig vor allem eines: «Die deutschen Truppen in der Ukraine wären dann ein rechtmässiges Ziel von russischen Angriffen.» Der Grund: Nach dem humanitären Völkerrecht seien militärische Personen und Material eben auch rechtmässige Ziele.

Petrig betont aber: «Ein Angriff auf Deutschland wäre weiterhin verboten, denn Deutschland würde die Ukraine im Rahmen der kollektiven Selbstverteidigung militärisch unterstützen.» Dies sei völkerrechtlich gedeckt. «Die Ukraine darf sich gegen den Angriff von Russland alleine oder zusammen mit anderen Staaten verteidigen» , sagt Petrig. Dieses Argumentationsmuster lasse sich auch auf das Beispiel mit der Flugverbotszone anwenden. Auch in diesem Fall dürften Nato-Staaten nicht durch Russland angegriffen werden, so Petrig.

Kriegspartei oder nicht; das Regime von Alexander Lukaschenko hat sowieso das Völkerrecht gebrochen: «Belarus hat sein Staatsgebiet der russischen Armee zur Verfügung gestellt. Wäre dies nicht passiert, hätte Russland den Norden der Ukraine nicht in dieser Form angreifen können», sagt Petrig. Und weil Russland der Aggressor sei, verleihe das Völkerrecht dem Kreml kein Recht, Belarus im Rahmen der kollektiven Selbstverteidigung unterstützend heranzuziehen.

Die Ukraine wird angegriffen. Sie darf Länder um Hilfe bitten.
Autor: Anna Petrig Völkerrechtsprofessorin

Hier hat die Ukraine mehr Spielraum. Denn selbst, wenn der unwahrscheinliche Fall einträte, dass Truppen der Nato-Staaten «mit Stiefeln auf dem Boden» in der Ukraine kämpfen würden, wäre dies für sich kein Völkerrechtsbruch. «Die Ukraine wird angegriffen. Sie darf Länder um Hilfe bitten. Und wenn diese Unterstützung leisten, ist dies vom Völkerrecht gedeckt», erklärt Petrig.

Kurz: Wenn Wladimir Putin also die westlichen Staaten als Kriegsparteien bezeichnet, zielt er ins Leere. Er argumentiert propagandistisch, nicht völkerrechtlich. Wie so oft in diesem Krieg.

SRF 4 News, 31.01.2023, 22:30 Uhr

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