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«Klares politisches Zeichen» Die EU hat ein Ausbildungsprogramm für die Ukraine verabschiedet

Nun ist es definitiv: 15'000 Angehörige der ukrainischen Armee werden in EU-Ländern wie Polen oder Deutschland ausgebildet. Dort sollen sie lernen, wie man Minen räumt oder sie sollen zu Scharfschützen ausgebildet werden.

Ein Panzer mit Männern drauf, eine ukrainische Fahne weht. Es ist ein Übungsszenario.
Legende: Die ukrainische Armee bei einer Übung. Keystone/EPA/IRINA GORBASYOVA

Es ist die grösste Ausbildungsmission in der Geschichte der EU. Die EU-Aussenministerinnen und -Minister haben sie heute in Brüssel formell beschlossen. Georg Häsler, Redaktor für Sicherheitspolitik bei der Neuen Zürcher Zeitung, ordnet ein.

Georg Häsler

Militärexperte und Oberst im Heeresstab der Armee

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Georg Häsler ist Militärexperte und arbeitet bei der «Neuen Zürcher Zeitung». Er studierte klassische Philologie. Im Heeresstab der Schweizer Armee ist er Oberst.

SRF 4 News: Die EU will 15'000 ukrainische Armeeangehörige ausbilden. Wie schätzen Sie diese Zahl ein?

Sie ist beträchtlich. So viele Personen werden jährlich in die Schweizer Rekrutenschule eingezogen. Viel mehr Personen kann die Ukraine zurzeit auch kaum entbehren. Die Zahl ist auch deshalb bemerkenswert, weil die Soldatinnen und Soldaten nach ihrer Ausbildung zurückkehren und ihr Wissen weitergeben werden, sozusagen Multiplikatoren sein werden.

Was bringt der Ukraine dieses Ausbildungsprogramm konkret?

Es geht ja vor allem um nachhaltige Fähigkeiten. Da wäre beispielsweise die Minenräumung, welche nach dem Krieg wichtig sein wird, um das versehrte Gebiet wieder bereitzumachen für den Frieden. Wir befinden uns sozusagen in einer neuen Phase. Es geht um Aufräumen, Stabilisieren.

Die Ausbildung ist aber auch ein klares politisches Zeichen.

Die Ausbildung ist aber auch ein klares politisches Zeichen. Die EU steht zur territorialen Integrität der Ukraine. Das Programm zeigt aber auch: Die EU ist kein grosser militärischer Akteur, denn entscheidend für die Sicherheit bleiben die USA und auch Grossbritannien.

Ausgebildet werden die Armeeangehörige nicht in der Ukraine selbst, sondern in EU-Ländern wie Deutschland oder Polen. Weshalb?

Der Westen achtet schlicht darauf, das Völkerrecht nicht zu verletzen. Reguläres Militärpersonal in Uniform aus der EU oder der Nato darf nicht direkt in der Ukraine tätig sein. Das wäre praktisch ein Kriegsgrund. Dass beispielsweise gerade zivile Berater in der Ukraine sind, ist bereits dünnes Eis. Es braucht wenig, damit sich der Westen direkt in einer Konfrontation mit Russland befinden würde.

Die EU ist keine militärische Einheit. Weshalb führt nicht die Nato die Ausbildung durch?

Tatsächlich hat die EU kaum militärische Muskeln. Sie ist nicht nur abhängig von der Nato, sondern auch von den US-Streitkräften. Die europäischen Armeen sind praktisch Hilfstruppen, um es salopp zu sagen.

Die EU will sich als sicherheitspolitische Akteurin ins Spiel bringen.

Jetzt will sich die EU als sicherheitspolitische Akteurin ins Spiel bringen. Deshalb ist die Mission auch wichtig. Es ist ein Lebenszeichen für die Idee einer strategischen Autonomie, aber immer noch in Form von Nischenprodukten. Viel Glaubwürdigkeit hat die EU militärisch nämlich nicht.

Die EU will diese grösste Ausbildungsmission heute formell beschliessen. Welches Zeichen sendet man damit der Ukraine?

Das ist meiner Meinung zum jetzigen Zeitpunkt eigentlich der wichtigste Punkt. Die EU formuliert ein strategisches Ziel, wonach die Ukraine ihre territoriale Integrität zurückerhalten soll. Die Ukraine wird dabei unterstützt, die besetzten Gebiete zurückzugewinnen.

Das ist bemerkenswert und ein starkes Symbol, das auch in der Ukraine verstanden wird. Bei der Befreiung von Cherson wurde etwa neben der ukrainischen auch die europäische Fahne gehisst. Letztlich geht es um einen Kampf zwischen einem demokratischen Europa und einem autoritären Aggressor. Die EU setzt mit dieser Mission ein Zeichen, dass sie die Ukraine genau in diesem Kampf unterstützen will.

Das Gespräch führte Claudia Weber.

SRF 4 News, 06:45 Uhr, 14.11.2022 ; 

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