Zum Inhalt springen

Header

Zur Übersicht von Play SRF Audio-Übersicht

Kriegsverbrechen im Sudan 20 Jahre Haft für sudanesischen Milizenführer

Der Internationale Strafgerichtshof hat erstmals einen führenden Dschandschawid-Milizchef für sein Vorgehen im Darfur-Konflikt verurteilt. Ali Abd-Al-Rahman erhielt 20 Jahre Haft für schwere Gewalt Anfang der 2000er-Jahre.

Sarah Fluck

Afrika-Korrespondentin

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Sarah Fluck ist seit 2024 Afrika-Korrespondentin von Radio SRF und lebt in der ugandischen Hauptstadt Kampala. Vor ihrem Engagement bei SRF war Fluck als freie Journalistin in Ostafrika tätig. Sie hat Afrikapolitik an der «School of Oriental and African Studies» (SOAS) in London studiert.

Wer ist der Verurteilte?

Ali Abd-Al-Rahman war früher Apotheker und stieg dann zu einem der wichtigsten Kommandanten der Dschandschawid auf – jener arabischen Miliz, die vom sudanesischen Staat eingesetzt wurde, um einen Aufstand in Darfur niederzuschlagen. Unter seiner Führung wurden Dörfer niedergebrannt, Männer und Jungen festgenommen und erschossen, Frauen vergewaltigt. Die Richter betonen: Er war nicht irgendein Kämpfer, sondern einer der zentralen Organisatoren dieser Gewalt.

Mann im Anzug vor Bildschirm.
Legende: Ali Abd-Al-Rahman muss wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit für 20 Jahre ins Gefängnis. Keystone/Peter Dejong/Pool

20 Jahre sind nicht das maximale Strafmass – was hat die Strafe gemildert?

Vor allem zwei Punkte. Erstens: Abd-Al-Rahman stellte sich 2020 freiwillig dem Internationalen Strafgerichtshof. Das Gericht hält fest, dass dies wohl aus Eigeninteresse geschah und nicht aus Reue – trotzdem wurde es berücksichtigt. Zweitens: sein Alter. Mit 76 Jahren bedeutet eine Haftstrafe von 20 Jahren für ihn sehr wahrscheinlich lebenslange Haft. Auch das hat das Gericht gewichtet.

Wie reagieren die Betroffenen?

Viele Betroffene haben das Urteil aufmerksam verfolgt – viele sogar live via Radio aus den Flüchtlingslagern, in denen sie heute noch leben. Für sie ist das Urteil ein wichtiger Moment: Viele spüren Erleichterung und sagen, sie würden endlich gesehen. Gleichzeitig sagen viele: Er ist nur einer von mehreren Haupttätern. Auch die übrige Befehlskette – allen voran der einstige Langzeitherrscher Omar al-Bashir – müsse sich eines Tages verantworten.

Gegen al-Bashir besteht ein internationaler Haftbefehl. Wie wahrscheinlich ist es, dass er vor Gericht kommt?

Im Moment leider nicht sehr wahrscheinlich. Der Sudan steckt im Krieg, und es gibt keine staatliche Struktur, die ihn festnehmen und ausliefern könnte. Die frühere Übergangsregierung hätte ihn tatsächlich ausliefern wollen – sie hatte das 2019 sogar offiziell angekündigt. Doch bevor es dazu kam, wurde sie gestürzt.

Hinzu kommt: Es ist unklar, wo Omar al-Bashir heute ist. Kurz vor Beginn des Krieges wurde er in ein Militärspital im Norden des Landes verlegt – offiziell aus gesundheitlichen Gründen. Seitdem ist er verschwunden, und niemand weiss genau, wo er sich befindet.

Hat das Urteil gegen Abd-Al-Rahman Auswirkungen auf den heutigen Konflikt im Sudan?

Das wäre zu hoffen – und das Gericht sagt ausdrücklich, dass seine Strafen auch eine abschreckende Wirkung haben sollen, angesichts der aktuellen Lage im Sudan. Doch in der Realität sehen wir keinen Rückgang der Gewalt. Was sich heute in Darfur und anderen Regionen abspielt, ist nicht nur eine Wiederholung der alten Muster, sondern oft noch brutaler – mit modernisierten Methoden, die direkt an die Gewalt von damals anknüpfen.

Der Bürgerkrieg vor 20 Jahren

Box aufklappen Box zuklappen

Vor gut 20 Jahren war der Bürgerkrieg im Süden Sudans ausgebrochen. Die Massaker in der südsudanesischen Provinz hatten international Entsetzen ausgelöst.

Abd-Al-Rahman war ein ranghoher Kommandant der Dschandschawid-Miliz während des Darfur-Konflikts, der 2003 ausbrach, als Rebellen aus der ethnischen Gemeinschaft der Zentral- und Subsahara-Afrikaner in dem Gebiet einen Aufstand starteten und sich über die Unterdrückung durch die arabisch dominierte Regierung in der Hauptstadt Khartum beschwerten.

Die Regierung des damaligen Präsidenten Omar al-Bashir reagierte mit einer Kampagne, mit Luftangriffen und Überfällen der Dschandschawid, die oft im Morgengrauen und zu Pferd oder auf Kamelen in Dörfern stattfanden.

Die Kampagne umfasste Massentötungen und Vergewaltigungen, Folter und Verfolgung. Im Laufe der Jahre wurden in Darfur bis zu 300'000 Menschen getötet und 2.7 Millionen aus ihren Häusern vertrieben.

Rendez-vous, 9.12.2025, 12:30 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel