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Kritik an Führung des RBB Fall Schlesinger oder Fall Service Public?

Das Verhalten von Patricia Schlesinger, der ehemaligen Chefin des Senders RBB, empört – und liefert Gegnern öffentlich-rechtlicher Medien Munition.

Eine Dienstlimousine mit Massagesitzen, automatisch bewässerte Pflanzenwände, ein millionenteurer Chefbüroumbau, Beratermandate für den Ehemann – es ist der Stoff, der Empörung blühen lässt. Irgendwann verlor die frühere Journalistin Patricia Schlesinger als Vorsitzende des Rundfunkverbunds der ARD die Bodenhaftung.

Immerhin wurde rasch ein Schlussstrich gezogen unter Schlesingers Wirken an der Spitze der ARD und Anfang dieser Woche auch von deren Teilsender RBB, dem Rundfunk Berlin-Brandenburg. Bemerkenswert selbstkritisch wird dort über den Skandal im eigenen Haus berichtet.

Es lag uns schon daran, dass Leute in einer repräsentativen Umgebung empfangen werden können.
Autor: Justus Demmer RBB-Pressesprecher

Der RBB-Pressesprecher Justus Demmer windet sich hingegen noch. Zwar räumt er ein: «Der Eindruck, wenn man daran vorbeigeht und sich fragt, braucht man das, diese grüne Wand, den ordentlichen Boden, dann sagt man sich, nein, das braucht man nicht, das ist übertrieben.» Zugleich wirbt er aber um Verständnis: «Es lag uns schon daran, dass Leute in einer repräsentativen Umgebung empfangen werden können.»

Staatsanwaltschaft ist am Zug

Was letztlich von den Vorwürfen im Fall Schlesinger justiziabel ist, ist offen. Die Berliner Staatsanwaltschaft befasst sich damit. Der Oberstaatsanwalt Sebastian Bücher hält fest: «Gegenstand des Verfahrens sind die Vorwürfe der Untreue und der Vorteilsannahme.»

Frau Schlesinger sieht sich nach wie vor nur als Opfer.
Autor: Sabine Jauer Vorsitzende des Personalrats

Selbst wenn am Ende kaum oder nichts strafrechtlich Relevantes bleibt – die Intendantin war nicht zu halten, zumal sie auch jegliches Vertrauen in der Belegschaft verloren hatte. Sabine Jauer, Vorsitzende des Personalrats, sagte gegenüber dem Sender RBB: «Es wurde mit keinem Satz eingeräumt, vielleicht Dinge falsch entschieden zu haben. Frau Schlesinger sieht sich nach wie vor nur als Opfer.»

Patricia Schlesinger hält zwei Finger hoch
Legende: Schlesinger ist nach Vorwürfen, sie habe zu viele Spesen abgerechnet, Vergünstigungen angenommen und Unsummen für den Umbau ihres Büros ausgegeben, zurückgetreten. Keystone/Britta Pedersen

Die Sache ist aber noch nicht ausgestanden. Vor allem nicht für den medialen Service Public in Deutschland. Schlesingers erzwungener Abgang wird von Medien und Politik fast unisono und parteiübergreifend begrüsst. Doch während man im linken und linksliberalen Lager auf den konkreten Fall fokussiert und mit Nachdruck mehr Aufsicht und Kontrolle fordert, geht die Kritik von rechts weit darüber hinaus.

Ruf nach Grundsatzreformen

Man nimmt den Skandal als willkommenen Anlass zu einem Generalangriff auf den Service Public. Der Medienkorrespondent der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» spricht von einem «Systemversagen». CDU-Chef Friedrich Merz fordert Grundsatzreformen und meint damit weniger öffentlich-rechtlichen Rundfunk, etwa indem ARD und ZDF zusammengelegt werden. Stefan Aust, früher «Spiegel»-Chef und heute Herausgeber der «Welt», fordert ein Werbeverbot.

80 Millionen zahlen 200 Euro Rundfunkgebühr

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Mit 8.4 Milliarden Euro pro Jahr verfügen ARD und ZDF über mehr Mittel als jede andere öffentlich-rechtliche Anstalt – und damit über doppelt so viel wie die britische BBC. Obschon die Rundfunkgebühren in Deutschland mit rund 200 Euro pro Jahr niedriger sind als in der Schweiz, kommt bei einer 80-Millionen-Bevölkerung jedoch viel mehr Geld zusammen. Und die Kanäle senden nur in einer Sprache.

Länger als in anderen Ländern befand sich das öffentliche Radio und Fernsehen in Deutschland in einer komfortablen Lage – finanziell und politisch. Doch die Gegner des öffentlichen Rundfunks werden auch in Deutschland lauter. Der Fall Schlesinger liefert ihnen nun eine Steilvorlage – denn das Unverständnis ist gross, wie eine RBB-Strassenumfrage zeigt.

Die Debatte über die Zukunft des medialen Service Public – in der Schweiz wird sie seit Jahren intensiv geführt – nimmt nun auch in Deutschland Fahrt auf und wird fortdauern, wenn Schlesinger längst vergessen ist.

Rendez-vous, 19.08.2022, 12:30 Uhr

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