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Service-Public-Medien kommen europaweit unter Druck
Aus Rendez-vous vom 16.02.2022. Bild: reuters
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Neue Medienlandschaft Öffentlich-rechtliche Medien stehen unter Druck – weltweit

Dem Flaggschiff BBC droht der Kahlschlag – doch nicht nur ihr: Überall steht der mediale Service Public unter Druck.

Die britische BBC ist das Flaggschiff in der Flotte der weltweiten Service-Public-Medien. Punkto Glaubwürdigkeit geniesst sie nach wie vor einen ausgezeichneten Ruf.

Dennoch hat sich die konservative Regierung von Boris Johnson auf die BBC eingeschossen. So will Kulturministerin Nadine Dorries die Rundfunkgebühren einfrieren. Und im Jahr 2027 droht gar eine vollständige Abschaffung der Rundfunkgebühren in Grossbritannien. Zwar versichert Dorries, niemand in der Regierung wolle die BBC zerstören. Bloss: Wer glaubt's?

Unbequem für die Regierungen

Den britischen Konservativen und ihrem populistischen Premier Boris Johnson ist die BBC zu unabhängig und zu einflussreich. Ihm passen die eher unpolitischen Privatsender und die mehrheitlich rechts positionierten britischen Zeitungen besser.

Regierungen beanspruchen selber die Herrschaft über die Informationen und deren Deutung.
Autor: Mary Hockaday Chefin des BBC-Worldservice

Populistische Regierungen – egal ob rechte oder linke – hätten häufig ein schwieriges Verhältnis zu Medien, sagt Noel Curran, Generaldirektor der Europäischen Rundfunkunion EBU. Und Mary Hockaday, die Chefin des BBC World Service, konstatiert gegenüber SRF: «Regierungen beanspruchen selber die Herrschaft über die Informationen und deren Deutung.»

Symbolbild: Mikrofon und BBC-Logo.
Legende: Die BBC steht unter gewaltigem Druck der konservativen Regierung von Premier Boris Johnson. Reuters

Ausserdem reagierten sie aggressiv auf Kritik. Deshalb werden amtliche Informationsdienste immer grösser. Manche Regierungen versuchen, Journalisten zu gängeln oder gleich ganz zu umgehen, indem sie sich selbst direkt ans Publikum wenden.

Radikaler Wandel

In einem Videoseminar des Wiener Presseclubs Concordia sagt die renommierte Journalismusprofessorin Emily Bell, die zuvor das gesamte Digitalangebot des britischen «Guardian» verantwortete und heute an der Columbia-Universität in New York lehrt: «Fünfzig Jahre lang war die Medienlandschaft im demokratischen Europa stabil – mit starken privaten Zeitungen und starken öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehsendern.»

Ausgewogenheit spielt keine Rolle mehr

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Für Emily Bell sind die USA das beste, beziehungsweise das schlechteste Beispiel für die drastischen Veränderungen in der Medienlandschaft. Doch nicht nur dort seien profitable neue Geschäftsmodelle entstanden: Medienangebote, die sich um Wahrheit, Seriosität und Ausgewogenheit foutieren könnten, hätten einen Marktvorteil, betont sie. Das Publikum und damit der Markt würden extremer. Der Druck auf die Medien wachse, die Bedürfnisse einer radikalisierten Öffentlichkeit zu befriedigen, die sich nur noch in ihrer eigenen Blase informiere.

Doch jetzt habe mit den riesigen Techkonzernen und sozialen Kommunikationsplattformen als Treiber ein radikaler Wandel eingesetzt. «Dadurch bekommen Randmeinungen, auch extreme, viel mehr Resonanz als früher.»

Randmeinungen, auch extreme, erhalten viel mehr Resonanz als früher.
Autor: Emily Bell Journalistin und Professorin an der Columbia Uni NY

In zunehmend autoritär regierten Ländern wie Polen oder Ungarn wurden Service-Public-Anstalten weitgehend zu staatshörigen Sendern umfunktioniert. Doch auch in Deutschland, in der Schweiz, in Grossbritannien, in Frankreich oder Skandinavien wird um die Rundfunkbeiträge gestritten.

Auch die SRG steht unter Druck

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Auch in der Schweiz gibt es Versuche, die öffentlich-rechtliche Radio- und Fernsehgesellschaft SRG zurückzubinden. Zur SRG gehören auch die Radio-und Fernsehsender SRF sowie die Internetseite hier. So waren die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger im März 2018 an die Urne gerufen, um über eine ersatzlose Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren abzustimmen, über welche sich die SRG hauptsächlich finanziert. Die Volksinitiative von rechts wurde mit über 70 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt. Nun, nach der kürzlichen Ablehnung des Mediengesetzes durch das Stimmvolk – es hätte eine stärkere Förderung von kostenpflichtigen Printmedien sowie von Onlinemedien vorgesehen – ist in SVP-Kreisen jetzt laut Medienberichten ein neues Volksbegehren in der Schublade. Diskutiert werde dabei, die Radio- und Fernsehgebühren von derzeit 335 Franken pro Haushalt und Jahr entweder zu halbieren oder auf 200 Franken zu plafonieren, heisst es. Möglicherweise steht auch die Abgabe, welche Unternehmen in den Topf bezahlen müssen, zur Diskussion. Wann die Volksinitiative lanciert werden soll und mit welchem genauen Inhalt, ist noch nicht bekannt.

Delphine Ernotte, die Präsidentin von France Télévision spricht von starkem Gegenwind. Dabei seien Service-Public-Medien, zusammen mit Qualitätszeitungen das beste Rezept gegen die wachsenden Gräben in der Gesellschaft, gegen die Radikalisierung, welche Demokratien gefährde.

Druck von allen Seiten

Neben dem politischen Druck, dem finanziellen Druck, dem Marktdruck der Internetgiganten lastet auch noch der demografische Druck auf den klassischen Medien. Sie tun sich schwer, ein junges Publikum für ihre Angebote in Zeitungen, Radio und Fernsehen zu gewinnen, wie EBU-Chef Curran betont. Damit schwindet auch die Loyalität wachsender Bevölkerungsgruppen gegenüber öffentlich-rechtlichen Medien.

Deshalb suchen sie nun alle den Weg in die digitalen Kanäle. Sie wollen journalistisch hochwertige Angebote auch digital bereitstellen und damit neue oder verlorene Publikumsgruppen erreichen. Teilerfolge gibt es. Doch den Königsweg hat noch niemand gefunden.

Die einstmals dominierende Akteure in der alten Medienwelt sind in der neuen Welt oft nur ein Anbieter unter vielen.

Rendez-vous, 16.02.2022, 12.30 Uhr

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