«Wir Ungarn wollen nicht zu Gemischtrassigen werden», sagte der ungarische Ministerpräsident am Samstag in einer Rede im rumänischen Bad Tusnad. Eine Welle der Empörung war ihm sicher.
Während Viktor Orbán sprach, besuchte ich, fast 1000 Kilometer entfernt, die Ausstellung «Reiternomaden in Europa» in der Schallaburg, westlich von Wien. Ein wichtiger Teil der Ausstellung widmet sich den Magyaren, «einem Bündnis nomadischer Stämme überwiegend türkischer und finno-ugrischer Herkunft» (Ausstellungstext) deren «Urheimat» nördlich des Kaspischen Meeres liegt, also in Asien. Die Magyaren wanderten im neunten Jahrhundert ins Gebiet des heutigen Ungarn ein und vermischten sich in der Folge auf vielfältige Weise, worauf viele Ungarn durchaus mit Stolz hinweisen.
Ganz abgesehen davon: Die Wissenschaft ist sich längst einig, dass das Wort Rasse «nicht als biologische Einheit oder als klassifikatorisches Element für moderne Menschen geeignet ist», wie der US-amerikanische Anthropologe Bernard Wood 2011 in seinem Standardwerk «Encyclopedia of Human Evolution» schrieb.
Die Ausführungen von Viktor Orbán sind also unter verschiedenen Gesichtspunkten barer Unsinn. Das weiss er natürlich selber. Warum provoziert der ungarische Regierungschef trotzdem auf so verstörende Weise?
Die Antwort ist einfach: Viktor Orbán ist der wohl erfolgreichste Populist Europas. Erfolgreicher Populismus benötigt Feindbilder. Das wichtigste Feindbild linker Populisten ist der böse Kapitalist. Das wichtigste Feindbild rechter Populisten ist der gefährliche Migrant.
Man braucht einen Feind, und das ist der Migrant.
Und so analysierte der ungarische Publizist Paul Lendvai denn auch treffsicher: «Er (Viktor Orbán) hat genau gewusst, was die Reaktionen sein werden. Aber er hat nicht nur zu Westeuropa gesprochen, sondern auch zu Ungarn und zum ungarischen Volk. (...) Man braucht einen Feind, und das ist der Migrant.»
Viktor Orbáns Partei Fidesz gewann in den letzten beiden Wahlen jeweils eine Zweidrittelmehrheit im Parlament. Und das, obwohl Orbáns Regierung Demokratie und Rechtsstaat in Ungarn kontinuierlich abbaut. Laut Transparency International ist Ungarn mittlerweile das zweitkorrupteste Land der Europäischen Union.
Ob es westeuropäischen Demokraten gefällt oder nicht: Den ungarischen Wählerinnen und Wählern ist Demokratie und Rechtsstaat schlicht nicht besonders wichtig. Hauptsache, Viktor Orbán hält ihnen die Migranten vom Leib.