Kultur, Wirtschaft, Diplomatie - Saudi-Arabien ist auf mehr aus als auf «Sportswashing»
Mit Milliardensummen geht Saudi-Arabien im europäischen Fussball auf Einkaufstour und lockt Megastars in die saudische Liga. Das Land versuche sich durch diese Einkäufe von Menschenrechtsverletzungen im Land reinzuwaschen, sagen Kritiker. Doch dahinter steckt mehr.
«Sportswashing» ist nichts Neues und schon gar nicht etwas, das nur Saudi-Arabien betrifft. «Bereits 1936 wurden die olympischen Spiele in Berlin dazu benutzt, ein strahlendes Bild des Dritten Reiches nach aussen zu tragen», sagt Steven Cook, Nahost-Experte bei der Denkfabrik Council on Foreign Relations in Washington. «Auch die USA werden die Weltaufmerksamkeit nicht auf Guantánamo gerichtet haben wollen, wenn sie die olympischen Sommerspiele 2028 in Los Angeles abhalten werden», sagt Cook weiter.
Insgesamt hat das Königreich in den letzten zwei Jahren gut sechs Milliarden Dollar investiert, in Fussball, Golf, Boxen, Tennis, die Formel 1, sowie in professionell betriebene Computerspiele.
Das sind die Stars der Saudi Pro League:
Sechs Milliarden Dollar, allein um von seinen Menschenrechtsverletzungen abzulenken? Kaum!
Sport für den Machterhalt im Innern
«Der Haupttreiber hinter diesen Investitionen ist der radikale Umbau der Wirtschaft und der Gesellschaft Saudi-Arabiens, wie es Kronprinz Mohammed Bin Salman in seiner Vision 2030 vorgegeben hat», sagt Nahost-Experte Cook. Hin zu einer modernen Gesellschaft, ohne aber das absolut herrschende Königshaus zu kippen.
Die Sport-Investitionen sind eine Art Betäubung für die Jugend.
Der Kronprinz sei ein Top-down-Reformer, kein Liberaler, sagt Cook. Heisst, dass Mohammed Bin Salman ein Auge darauf hält, dass er den Modernisierungsprozess in Saudi-Arabien antreibt und niemand anderes. So sichert sich Mohammed bin Salman den Zuspruch in der vorwiegend jungen Bevölkerung des Landes. 60 Prozent sind unter 40 Jahre alt.
Sie gilt es zufriedenzustellen, sodass nicht andere Forderungen auftauchen. Forderungen für mehr Mitsprache, persönliche Freiheiten und Rechte können die autokratischen Herrscher nicht erfüllen. «Die Reformprozesse und die Investitionen in den Sport sind eine Art Betäubung für die Jugend», sagt Sean Yom, Professor an der Tempel-Universität in Philadelphia.
Ein neues Bild von Saudi-Arabien im Ausland
Und dennoch, Saudi-Arabien versucht durch den Sport auch sein Bild im Ausland aufzupolieren. Etwa durch den Kauf von englischen Fussballklubs, das Abhalten von Formel-1-Rennen oder durch den Einstieg in den grössten Golfverband der USA. Da spiele «Sportswashing» zweifellos eine Rolle, sagt Sean Yom. Er macht aber ein paar Vorbehalte: «Saudi-Arabien spielt nicht nur im Sport international eine immer wichtigere Rolle, sondern auch in der Kultur, Wirtschaft, Wissenschaft und nicht zuletzt in der Diplomatie.»
Diplomatie und Sport sind zwei Seiten der selben Medallie.
Erst kürzlich hat Saudi-Arabien eine internationale Konferenz zum Krieg in der Ukraine abgehalten. «Dies ist Teil derselben Strategie», sagt Steven Cook vom Council on Foreign Relations.
Saudi-Arabien konnte sich dadurch als internationaler Verhandlungsführer präsentieren und das in einem Konflikt, der noch nicht einmal in der Region verankert ist. Das genau sei die Absicht Saudi-Arabiens, sag Sean Yom: «Es will nicht als regionale Macht verstanden werden, sondern als globaler Player, der im Nahen Osten verankert ist.»
Saudi-Arabien geht es also weniger um das Vertuschen der Menschenrechtsverletzungen, als darum, sich im In- und Ausland als neue Macht zu präsentieren, die auch nach dem Versickern der Ölquellen relevant bleiben soll.
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