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Kuscht der ICC vor den USA? Kriegsverbrechen in Afghanistan bleiben ungeahndet

Die Chefanklägerin wollte auch gegen US-Bürger ermitteln. Die Richter intervenieren – mit fadenscheiniger Begründung.

Es ist eine Enttäuschung für die Opfer der Kriegsverbrechen, die in Afghanistan begangen wurden: Die Richter am Internationalen Strafgerichtshof (ICC) haben am Wochenende entschieden, dass die Chefanklägerin in Afghanistan keine Ermittlungen einleiten darf.

Fatou Bensouda hatte nicht nur die radikal-islamischen Taliban und die afghanischen Regierungstruppen im Visier. Sie hatte vor, auch gegen US-Soldaten und CIA-Angestellte zu ermitteln – wegen deren Verhör- respektive Foltermethoden in den Gefängnissen.

USA lassen die Muskeln spielen

Weil Bensouda auch gegen US-Bürgerinnen und US-Bürger vorgehen wollte, bauten die USA in den letzten Monaten eine gewaltige Drohkulisse auf. Sie entzogen der Chefanklägerin das Einreisevisum für die USA. Trumps Sicherheitsberater John Bolton drohte mit dem «Invasion Act» – dieses Gesetz ermöglicht unter anderem den Einsatz von Spezialtruppen, um einen US-Bürger aus dem ICC-Gefängnis Den Haag zu befreien.

Die Aufgabe des ICC

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Der Internationale Strafgerichtshof verfolgt Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Seine rechtliche Grundlage ist das 2002 in Kraft getretene Römische Statut. Dem Vertrag sind 122 Staaten beigetreten, darunter alle EU-Staaten und die Schweiz.

Der Druck aus Washington verfehlte seine Wirkung nicht. Die ICC-Richter geben der Chefanklägerin kein grünes Licht für Ermittlungen in Afghanistan. Das diene den Interessen der Justiz nicht, begründeten sie den Entscheid. Es mangle am Kooperationswillen der afghanischen Behörden.

Zudem sei die aktuelle politische Situation kompliziert, weshalb kaum mit einer erfolgreichen Anklage zu rechnen. Der ICC solle seine begrenzten Mittel besser für Untersuchungen mit mehr Erfolgschancen einsetzen.

Fadenscheinige Begründung der Richter

Diese Rechtfertigung ist merkwürdig. Hätte das Jugoslawien-Tribunal damals gleich argumentiert, hätte es Serbenführer Karadžic und General Mladic nie den Prozess machen können. Auch dort war am Anfang nicht klar, ob es überhaupt zu einem Urteil kommen würde. Andererseits sind die Richter unglaubwürdig, wenn sie einen haushälterischen Umgang mit den Mitteln des ICC propagieren.

Ausgerechnet sie verlangen nämlich mehr Lohn, weil ihnen die 230'000 Schweizer Franken, die sie jedes Jahr steuerfrei erhalten, nicht genügen. Es erstaunt deshalb nicht, dass ICC-Insider und Menschenrechtsorganisationen den Afghanistan-Entscheid hämisch kritisieren. Sie hätten vor den USA gekuscht, sagen die einen. Andere sind der Meinung, der ICC sei nun definitiv zu einer gescheiterten Institution verkommen.

Das ist umso tragischer, weil der ICC für Opfer von Kriegsverbrechen die letzte Hoffnung ist. Denn das Weltstrafgericht wird erst tätig, wenn alle anderen juristischen Mittel versagt haben. Trotz allen Fehlern und trotz dem Vorwurf, vor allem gegen afrikanische Herrscher vorzugehen, galt der ICC bisher immer noch als moralische Instanz. Mit dem Afghanistan-Entscheid ist dieses Ansehen stark erodiert.

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