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Japan will Jagd wieder zulassen
Aus Tagesschau vom 10.09.2018.
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Lockerung des Walfangverbots «Die Japaner lieben Wale genauso wie wir»

In Brasilien beginnt heute Montag die Walfangkonferenz. Sie entscheidet über den Fang in den nächsten zwei Jahren. Japan möchte das seit über 30 Jahren geltende Walfangverbot lockern. Einen entsprechenden Antrag hat Japan in der internationalen Walfangkommission IWC gestellt. Martin Fritz, Journalist in Tokio, erklärt, was es mit dem «kulinarischen Nationalismus» der Japaner auf sich hat – und warum kaum ein Japaner mehr Walfleisch isst.

Martin Fritz

Martin Fritz

Freier Journalist

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Der Journalist Martin Fritz arbeitete als Radio-Korrespondent für die ARD in Tokio. Als freier Journalist berichtet er nun auch über Nord- und Südkorea. Vorher war er fünf Jahre lang Südasien-Korrespondent in Neu-Delhi.

SRF News: Wie wichtig ist Walfang traditionell in Japan?

Martin Fritz: Japan gehörte nach dem 2. Weltkrieg sicherlich zu den grossen Fangnationen auf der Welt. Zuvor jedoch nicht – es ist also eine relativ neue Tradition. Nach dem Krieg war Walfleisch eine wichtige Proteinquelle für die japanische Bevölkerung.

Heute essen die Grossstädter eigentlich überhaupt kein Walfleisch mehr; man bekommt es auch nicht im normalen Supermarkt, sondern nur in einigen kleinen Städten an der Küste, wo noch Wale gefangen werden. Die eigentliche Walfangflotte, die bis in den Südpazifik fährt, ist sehr klein. Ohne Steuergeld wäre sie längst eingemottet.

Frau isst einen Walburger.
Legende: Teuer und geschmacklich gewöhnungsbedürftig: Der Wal-Burger gehört nicht zu den beliebtesten Snacks der Japaner. Reuters

Japan will das Walfangverbot mit einem Antrag in der zuständigen Kommission lockern. Ist der Walfang überhaupt ein politisches Thema?

Der Grund für den Vorstoss ist, dass Japan dieses Jahr den Vorsitz der Walfangkommission innehat. Es will diese Chance nutzen, um den Charakter der Organisation grundlegend zu ändern. Ursprüngliches Ziel der Kommission war es ja, den Walfang zu regeln – deswegen heisst sie auch «Walfang-» und nicht «Walschutzkommission».

Darauf verweist Japan auch immer wieder. Nach inzwischen 32 Jahren Walfangverbot sehen viele andere Mitgliedsländer der Organisation deren Aufgabe eher darin, die Waljagd dauerhaft zu verbieten.

Ist das Walfangverbot überhaupt ein Anliegen der japanischen Bevölkerung? Der Konsum von Walfleisch ist ja kaum mehr ein Thema, wie sie gesagt haben.

Der Durchschnittsjapaner liebt Delfine und Wale jeder Grösse – genauso wie jeder Europäer. Man isst ihr Fleisch hier auch nicht. Verglichen mit ähnlich teuren Fischsorten ist es auch nicht besonders lecker; es gibt ein paar Walrestaurants, und das ist auch schon alles. Auch die Politiker kümmern sich eigentlich nicht um das Thema.

Japan will sich nicht vorschreiben lassen, was es aus dem Meer fängt und isst. Das hat sicher mit dem japanischen Inseldenken zu tun.

Im Prinzip wird dieser Kampf seit zwei Jahrzehnten vor allem von einem Mann geführt: Joji Morishita, einem Beamten aus dem Fischereiministerium, der jetzt auch den Vorsitz der Walfangkommission übernommen hat. Dieses Ministerium finanziert die kleine Fangflotte und bezahlt die Lagerung und Subventionierung des Verkaufs in Japan. Das ist im Prinzip die einzige Lobby für Walfang in Japan. Es gibt im Land aber keine richtige politische Diskussion über das Thema – und daher auch keine inhaltliche Bewegung.

Was versprechen sich die Kreise, die das unterstützen, von einer Lockerung des Walfangverbots? Geht es einfach ums Geschäft?

Es geht um eine Art kulinarischen Nationalismus. Japan will sich nicht vorschreiben lassen, was es aus dem Meer fängt und isst. Das hat sicher mit dem japanischen Inseldenken zu tun. Ein Argument der Walschützer ist, dass Wale intelligente Säugetiere seien; sie haben sich ja auch gerade darüber aufgeregt, dass Japan in den vergangenen Monaten 122 schwangere Zwergwale für Forschungszwecke getötet hat.

Japanische Fischereibeamte sagen, der Westen betreibe riesige Fabriken für Kühe und Schweine – das sei mindestens genauso grausam.

Morishita und andere japanische Fischereibeamte sagen aber, der Westen betreibe riesige Fabriken für Kühe und Schweine – das sei mindestens genauso grausam wie der japanische Walfang. Japan prangert den Westen aber nicht dafür an und verlangt auch nicht, dass dort keine Kühe und Schweine mehr gegessen werden.

Tierschützer auf blutverschmierten Japan-Flagge.
Legende: Weltweit (wie hier in Madrid) protestieren Tierschützer gegen den japanischen Walfang. Im Land selbst gibt es keine wirkliche politische Debatte über das Thema. Reuters

Das Übereinkommen zum Walfangverbot ist nicht bindend. Japan könnte die Walfangkommission jederzeit verlassen. Ist das ein Thema?

Das war bislang nie eine ernsthafte Option. Die Japaner fühlen sich nicht wohl damit, den rechtlichen Rahmen für den Walfang einfach zu ignorieren. Als G7-Nation möchte einen solchen Präzedenzfall auch vermeiden.

Daher werben sie lieber im Rahmen der Kommission für einen nachhaltigen Walfang. Damit meinen sie Fangquoten für Walarten, deren Bestände sich inzwischen genug erholt haben. Dafür wäre Japan möglicherweise auch bereit, Schutzgebiete zu akzeptieren. Das wird ein grosses Thema in Brasilien sein.

Das Gespräch führte Roger Aebli.

Audio
«Es geht auch um kulinarischen Nationalismus»
aus SRF 4 News aktuell vom 10.09.2018.
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