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Machtkampf im Sudan Darum ruft die Rebellenmiliz RSF eine Parallelregierung aus

Im Sudan dauert der Machtkampf zwischen dem Militär und der Rebellen-Allianz RSF bereits länger als zwei Jahre. Er hat das Land in eine beispiellose humanitäre Krise gestürzt: Laut der UNO ist die Hälfte der Bevölkerung von Hunger betroffen. Nun hat die Rebellen-Allianz RSF eine Parallelregierung aufgestellt, mit dem Anführer der RSF als Vorsitzendem des Präsidialrats. Afrika-Korrespondentin Sarah Fluck hat den Sudan kürzlich besucht und ordnet ein.

Sarah Fluck

Afrika-Korrespondentin

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Sarah Fluck ist seit 2024 Afrika-Korrespondentin von Radio SRF und lebt in der ugandischen Hauptstadt Kampala. Vor ihrem Engagement bei SRF war Fluck als freie Journalistin in Ostafrika tätig. Sie hat Afrikapolitik an der «School of Oriental and African Studies» (SOAS) in London studiert.

Was bezweckt die Rebellenmiliz RSF mit ihrer Gegenregierung?

Die RSF hat ihre Gegenregierung bewusst zu einem Zeitpunkt ausgerufen, als die internationale Diplomatie sich wieder stärker mit dem Sudan befasst hat: Ende Juli haben verschiedene Staaten beraten, wie sie mit dem Konflikt umgehen wollen. Die RSF nutzt diesen Zeitpunkt. Sie möchte nicht als kleine Miliz aus dem Westen des Landes gelten, sondern als eine Regierung mit nationalem Anspruch, die künftig an den Verhandlungstisch gehört - trotz Verlust der Hauptstadt Khartum im Frühling. Zudem setzt die RSF mit dieser Gegenregierung eine Art Druckmittel ein. Ihre Botschaft lautet: «Im schlimmsten Fall könnte es eine Spaltung des Sudans in zwei Teile geben.» Weder die Bevölkerung noch internationale Vermittler wollen das.

Ausblick durch zerbrochene Glaswände auf städtische Gebäude im Bau.
Legende: Die RSF hat Stadt Khartum zeitenweise besetzt, im Frühling jedoch wieder an die Armee verloren. (Bild: Khartoum Teaching Hospital) REUTERS/El Tayeb Siddig (26.4.2025)

Plant die RSF also keinen Parallelstaat mit eigenen Strukturen?

Nein, so weit ist die RSF nicht. In den Gebieten, die sie derzeit kontrolliert, gibt es beispielsweise keine funktionierende Verwaltung wie in einem richtigen Staat: keine Währung, keine Ministerien, keine verlässlich arbeitenden Behörden. Vieles läuft sehr informell ab, zwischen RSF-Kommandeuren und Stammesführern. Es ist also so eine Art improvisiertes Regieren, weg von einem Staat mit einer eigenen Infrastruktur.

Eine fragile Allianz geführt von der RSF

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Nicht nur die RSF spielt eine Rolle in der Parallelregierung, sondern auch eine weitere grössere Gruppe namens SPLM North.

Der komplizierte Name steht für Sudan People's Liberation Movement North. Das ist eine politische und militärische Bewegung, die seit über 40 Jahren gegen die Zentralregierung im Sudan kämpft. Früher war sie mit der Südsudanesischen Befreiungsbewegung verbündet, bevor der Südsudan unabhängig wurde. Mit der Teilnahme an diesem Regierungsbündnis stellt sich die SPLM North gegen die sudanesische Militärregierung.

Auch gibt es weitere kleinere Gruppen in dieser Koalition. Insgesamt wird aber die Regierung klar von der RSF angeführt. Sie haben zwar einen zivilen Premierminister an die Spitze gesetzt, aber im Hintergrund behalten sie das Sagen. Das Ganze ist eine sehr fragile Allianz mit sehr, sehr vielen Widersprüchen zwischen den verschiedenen beteiligten Gruppen.

Wer kontrolliert bedeutendere Gebiete, das Militär oder die Rebellenmiliz?

Militärisch ist es im Moment wirklich eine Pattsituation. Die RSF kontrolliert grosse Teile des Westens, vor allem Darfur und Teile der Kordofan Region. Die sudanesische Armee hingegen hält die Hauptstadtregion um Khartum, dann auch die Küstenregion mit der De facto Hauptstadt Port Sudan und auch weite Teile im Osten. Keine Seite hat wirklich die Oberhand, und beide Seiten sind nicht in der Lage, den Krieg im Moment zu gewinnen.

Welche Seite hat mehr Rückhalt in der Bevölkerung?

Die meisten Menschen, mit denen ich gesprochen habe, sagen ganz klar sie wollen weder von der RSF noch von der sudanesischen Armee regiert werden. Viele haben sich daran erinnert, wie sie damals gegen den Langzeitdiktator Omar al-Bashir auf die Strasse gegangen sind, mit dem Ziel einer Demokratie. Und sie wollten ganz sicher nicht einen Krieg zwischen zwei Fraktionen. Viele fühlen sich von beiden Kriegsparteien regelrecht verraten. Sie haben beispielsweise betont, wie die RSF brutal gegen sie vorgegangen ist. Sie wurden geplündert, vergewaltigt, viele wurden gezielt getötet. Aber auch der sudanesischen Armee traut niemand. Die Armee sei das Rückgrat von Bashirs brutaler Herrschaft gewesen und fälle auch in diesem Krieg Entscheidungen, die vor allem ihren Machterhalt sichern sollten.

Echo der Zeit, 8.8.2025, 18 Uhr ; 

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