Im Sudan spielt sich eine unvorstellbare humanitäre Krise ab. Millionen Sudanesinnen und Sudanesen sind im eigenen Land auf der Flucht. Und wer kann, flieht über die Grenze, etwa nach Ägypten. Dort hat die Chefin der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) mit Flüchtlingen über ihre entsetzlichen Erfahrungen gesprochen.
SRF News: Wie haben Sie von den Flüchtlingen aus dem Sudan in Ägypten erfahren?
Patricia Danzi: Die Leute sind zum Teil zu Beginn des Krieges geflohen, andere kamen erst vor Tagen oder Wochen in Ägypten an. Alle berichteten von Tötungen und der Angst auf der Flucht. Einige Frauen erzählten von selbst erlebten Vergewaltigungen, was eher ungewöhnlich ist. Menschen, die erst kürzlich aus der belagerten Stadt El Fascher ankamen, sind abgemagert und sehr erschöpft. Ihre Schilderungen sind an der äussersten Grenze des Erträglichen.
Die Flüchtlinge berichteten über die monatelange tägliche Todesangst und wie vor ihren Augen Familienangehörige getötet wurden.
Was haben diese Menschen erzählt?
Die Flüchtlinge berichteten über die monatelange tägliche Todesangst und wie vor ihren Augen Familienangehörige getötet wurden. Kinder seien ihnen entrissen, Säuglinge auf den Boden geschleudert worden. Sie berichteten auch von der Angst um die Zurückgebliebenen, die teils als Geiseln genommen wurden, um Lösegeld zu erpressen. Zwei Männer erzählten von Freunden, die ermordet wurden, weil sie nicht zahlen konnten.
Was geschieht mit den Flüchtlingen nun in Ägypten?
Noch immer sind viele Menschen auf der Flucht, etwa in Richtung Tschad. Für diejenigen, die es in ein anderes Land wie etwa Ägypten schaffen, gibt es keine Zeltlager. Sie leben eigentlich unter der Bevölkerung, deren Leben zum Teil auch schwierig ist. Spannungen sind unter diesen Umständen nicht auszuschliessen. Dies ist sicher einer der Aspekte, den wir berücksichtigen müssen, wenn wir zu helfen versuchen.
Für die betroffenen Menschen ist ganz wichtig, dass wir Präsenz zeigen und sie spüren, dass sie nicht nur eine Zahl unter Millionen sind.
Wie kann die Schweiz helfen?
Die Schweiz ist auf verschiedenen Ebenen tätig. Das eine ist die humanitäre Hilfe zusammen mit den Organisationen vor Ort, sei es im Sudan oder in den Nachbarländern. Für diese Unterstützung sind seit Kriegsbeginn aus der Schweiz 132 Millionen Franken aufgewendet worden. Dies werden wir auch künftig tun. Tatsache ist aber auch, dass es insgesamt weniger Hilfe gibt, denn jene der USA ist weggebrochen. Dazu kommen die Friedensbemühungen der Schweiz auf verschiedenen Ebenen. Für die betroffenen Menschen ist ganz wichtig, dass wir Präsenz zeigen und sie spüren, dass sie nicht nur eine Zahl unter Millionen sind. Ab und zu muss man zuhören, eine Hand nehmen und eine Umarmung geben, dass sich diese Menschen von der internationalen Gesellschaft nicht ganz verlassen fühlen.
Das Gespräch führte Iwan Lieberherr.